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Lelord, Francois

Lelord, Francois

Titel: Lelord, Francois Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hector
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mich statt?« Ihre Augen
schleuderten Blitze.
    »Nein«,
sagte Hector, »ich habe Ihren Kollegen nur erklärt, dass ich ohne Ihr
Einverständnis gar nichts entscheiden kann.«
    »Die
pfeifen doch auf mein Einverständnis«, sagte die Lady. »Die wollen unbedingt,
dass Sie hierbleiben.«
    Ann wollte
etwas erwidern, aber George legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm.
    »Auf jeden
Fall würde ich lieber mit Ihnen unter vier Augen darüber sprechen«, sagte Hector,
der versuchte, die verfahrene Situation zu retten.
    »Und wer
ist das da?«, fragte die Lady und zeigte auf Brice.
    »Ein
Freund und Kollege«, sagte Hector. »Wir machen die Reise gemeinsam.«
    »Sie sehen
aber nicht wie ein Psychiater aus«, sagte die Lady zu Brice.
    »Und
dennoch ...«, begann Brice mit seinem verführerischsten Lächeln.
    »Ihnen
würde ich nicht über den Weg trauen«, befand die Lady, machte auf dem Absatz
kehrt und verließ das Zelt.
    Maria-Lucia
stand auf und folgte ihr nach draußen.
    George und
Ann hatten die Szene stumm verfolgt, und Brice wirkte ernstlich betreten.
    »Na gut«,
meinte Hector, »ich sollte wohl hinterhergehen.«
    »Ich bitte
Sie«, sagte George, »bleiben Sie ein paar Tage.«
    »Ich werde
mein Möglichstes tun.«
    »Über die
Höhe Ihres Honorars können wir noch mal reden.«
    »Einverstanden.
Ein andermal.«
    Die Lady
war bereits verschwunden. Hector lief einigen Technikern vom Filmteam über den
Weg; wegen der Hitze machten sie schon einen leicht ausgezehrten Eindruck.
Einer von ihnen wies nach rechts, und tatsächlich erblickte Hector dort die
Lady und Maria-Lucia, die den Pfad in Richtung Dorf hinaufstiegen. Gleich
darauf waren ihre Silhouetten vom dichten Blattwerk verschluckt. Hector marschierte
ihnen hinterher.
    Die
Steigung war enorm, fast hätte er die Hände mit einsetzen müssen. Dass er die
beiden Frauen nicht mehr sah, war nicht weiter beunruhigend, denn es gab nur
diesen einen Weg. Es sei denn, sie verliefen sich ... Hector hätte auf den
Orientierungssinn der Lady nicht viel gegeben und schon gar nicht, wenn sie
wütend war. Er war allerdings sicher, dass Maria-Lucia selbst dann ins Dorf
zurückfinden würde, wenn es überhaupt keinen Pfad gäbe.
    Jetzt
hatte er einen kleinen Zwischengipfel erreicht - und erblickte sie, wie sie
bleich und außer Atem an einem Baumstamm lehnte.
    »Kleines
Problem ...«, sagte sie. »Ich werde bald operiert.«
    »Das
Herz?«
    »Ja. Sie
ist da vorn ...«
    Die Lady
hatte nicht gewartet. Auch Hector ging weiter; er wusste, dass Maria-Lucia es
verstehen würde. Während er den steilen Pfad erklomm, gingen ihm medizinische
Überlegungen durch den Kopf, und das half ihm über die Qualen des
anstrengenden Aufstiegs hinweg. Maria-Lucia litt wahrscheinlich an einem
Herzfehler, der in Ländern, wo die Kinder bei Angina keine Antibiotika
bekommen, noch immer häufig ist. Manche reagieren auf einen bestimmten Typ von
Streptokokken mit einer Entzündung, das schädigt dann die Herzklappen. Den
erforderlichen Eingriff kann die Familie aber meist nicht bezahlen. Maria-Lucia
hatte wohl das Glück, dass sich die Schädigung bei ihr in Grenzen hielt, denn
immerhin hatte sie das Erwachsenenalter erreicht, und dank ihrer Krankenversicherung
oder der Großzügigkeit der Lady würde ihr so nützliches Leben bald verlängert
werden können - unter der Bedingung, dass sie sich vor allzu heftigen
körperlichen Anstrengungen hütete, beispielsweise vor dem überhasteten
Erklimmen von Bergpfaden.
    Jetzt war Hector
ganz oben auf dem Hügel angelangt, und er konnte den Weg bis ins Dorf hinab
überblicken. Aber wo war die Lady? Sollte sie schon angekommen sein? Nein, das
war unmöglich. Mit einem Schlag wurde ihm klar, dass der schlimmstmögliche Fall
eingetreten war: Die Lady musste sich verirrt haben.
     
    Hector hat Angst vor der eigenen Courage
     
    Er ging in
Richtung Maria-Lucia zurück und suchte nach einer Stelle, an der die Lady
abgebogen sein konnte. Endlich wurde er fündig: Vor einem Felsen gabelte sich
der Weg und führte zu einer Seite in einem Schlenker vom Dorf weg. Hector folgte
diesem Pfad und suchte auf dem Boden nach Fußspuren, aber er sah nur, dass die
Pflanzen hier kürzlich zertrampelt worden waren - ob es nun ein Mensch gewesen
war oder ein Tier, ließ sich unmöglich sagen.
    Dieser Weg
stieg ein bisschen weniger steil an als der andere, aber allmählich wurde aus
ihm ein schmaler Trampelpfad, und dann verschwand er vollends, und Hector schob
sich durch dichtes

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