Lelord, Francois
Volksgruppe
begleitet wurden. Und diese wiederum hätten es ohne das Gefühl von offizieller
Unterstützung aus der fernen Hauptstadt nicht gewagt, bei ihren Vettern von
den Varak Lao einzudringen. Wahrscheinlich hatten Geld und
Handelsvereinbarungen auch eine Rolle gespielt, aber diese Aspekte des
Einsatzes fielen nicht in Leutnant Ardanarinjas Zuständigkeit.
Sie waren
ursprünglich mit dem Ziel aufgebrochen, den Stammesältesten aufzusuchen und
mit ihm über die Auslieferung des fremden Gastes zu verhandeln, aber alle
Auskünfte, die Leutnant Ardanarinja unterwegs erhalten hatte, hatten sie von
diesem Plan abgebracht.
Die
Einwohner dieses Dorfes und noch ein paar anderer in der Nähe waren Animisten
gewesen; jetzt aber beteten sie einen neuen Buddha an.
Idwa hatte
Kinder geheilt.
Idwa hatte
einen wütenden Elefanten besänftigt.
Idwa
konnte den Gang der Gestirne weissagen.
Idwa war
unendlich gut und frei von jeder Angst.
Aus seinem
Munde strömten die Worte des Erleuchteten; die Waldmönche hatten es bestätigt,
denn zum Ärger ihres Obersten kamen sie selbst manchmal herbei, um Idwa zu
lauschen.
All diese
Ereignisse ließen eine Prophezeiung der Varak-Lao-Mythologie wahr werden: Eines
Tages würde ein Mann aus dem Westen kommen und den richtigen Weg weisen, und
eigentlich würde es gar kein Mann sein, sondern ein Gott, der auf die Erde
herabgestiegen war, um dem Volk der Varak Lao zu helfen.
Leutnant
Ardanarinja wusste, dass die Varak Lao, die ohnehin ziemlich abergläubisch
waren und beispielsweise an magische Rituale zur Abwendung feindlicher Kugeln
glaubten, bis zum letzten Mann kämpfen würden, um sich ihres lebendigen Gottes
würdig zu erweisen. Selbst mit kampferprobten Männern rechnete sie sich gegen
die Krieger der Varak Lao auf deren eigenem Terrain kaum Chancen aus. Bei einem
Überraschungsangriff würde es ihrem Trupp vielleicht gelingen, Edouard zu
entführen, aber ganz sicher würden sie es nicht bis zurück ins erste Varak-Dorf
schaffen, von wo aus vielleicht Verhandlungen möglich gewesen wären.
Plötzlich
erblickte sie den lebendigen Gott, der im Mönchsgewand einen Pfad in Richtung
Dorf herabstieg. Hinter ihm gingen der Psychiater, dessen Kollege und die
große, schlanke Ethnologin.
Seine
Freunde.
Während
Leutnant Ardanarinja die vier weiter beobachtete - der lebendige Gott sah
beunruhigend mager aus, der Psychiater wirkte erschöpft, seinem Kollegen ging
es auch nicht besser, und nur die junge Frau schien völlig munter zu sein -,
konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Gerade
hatte sie sich an die Worte des Generals erinnert: Freunde
sind eine Schwäche.
Hector hört eine Bergpredigt
Die Lady war von Edouard fasziniert - oder vielmehr von Idwa,
denn so hieß er in seinem neuen Leben.
»Darf ich
danach mit Ihrem Freund sprechen?«, flüsterte sie Hector zu.
»Natürlich.
Wenn er einverstanden ist...«
Hector
hatte niemals den Instinkt gehabt, sein Jagdrevier eifersüchtig zu hüten, es
sei denn, seine Patienten verkündeten ihm, einen Kollegen konsultieren zu
wollen, dessen Verrücktheit oder Inkompetenz allgemein bekannt war. Und Idwa
gehörte sowieso einer anderen Welt an, hier handelte es sich um alles andere
als um Konkurrenz unter Therapeuten.
Der Abend
brach herein, und sie wurden Zeugen einer Predigt von Idwa. Er hatte sich wie
Buddha selbst an den Fuß einer riesigen Banyan-Feige gesetzt, deren Luftwurzeln
eine Art Stuhl bildeten. Um ihn saßen die Frauen, Greise und Kinder der Varak
Lao im Halbkreis, die Männer standen dahinter. Weil der Baum an der Flanke
einer kleinen Anhöhe stand, überragte Idwa sie sogar im Sitzen. Wie der Buddha
selbst ließ auch Idwa seine Anhänger zunächst Fragen stellen, dann antwortete
er mit anderen Fragen, und dann, nach einem Wortwechsel, bei dem man auf den
Gesichtern der Fragenden oft Erstaunen lesen konnte, predigte er, wobei er von
Zeit zu Zeit die Augen schloss, als suche er seine Gedanken.
»Verstehst
du, was er sagt?«, fragte Hector Valerie.
»Ein
bisschen, aber er spricht zu schnell für mich.«
»Worum
geht es?«
»Um das
Mitgefühl. Eine Art Gleichnis. Er fragt die Gläubigen, was sie tun würden,
wenn sie am Wegesrand einen Varak Lao aus ihrem Dorf fänden, den ein Tiger
verletzt hat. Sie antworten, dass sie ihn natürlich versorgen und pflegen
würden.
Dann
weitet er die Fragestellung aus. Wenn es nun ein Varak Lao aus einem anderen
Dorf wäre? Oder nicht mal ein Varak Lao, sondern ein Varak aus
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