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Lelord, Francois

Lelord, Francois

Titel: Lelord, Francois Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hector
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gewesen
und ohne Aussicht auf Verwirklichung. Diesmal jedoch hatten die Isoliertheit
und das Gefühl geteilter Gefahr irgendein verborgenes Feuer angefacht.
    Hector
rief sich verzweifelt seine Beobachtung Nr. 10 ins
Gedächtnis: Wahre Freundschaft setzt man nicht für die Liebe aufs
Spiel.
    Und
vielleicht dachte Valerie gerade etwas Ähnliches, denn sie hüllte sich in ihr
Handtuch und erklomm eilig die Leiter ins Haus.
    Um sich zu
beruhigen, kam Hector auf seine Reflexion über die Freundschaft zurück:
    Beobachtung
Nr. 16: Langjährige Freunde sind in den Gobelin unseres Lebens eingewoben.
    Und
deshalb war es so schwer, sich von ihnen zu trennen - denn wer flickte schon
gern?
     
    Hector findet einen besten Freund wieder
     
    Der Gestank war bestialisch. Keiner von ihnen hatte einen
Krieg erlebt oder eine große Naturkatastrophe, und hätte daher die
unauslöschliche Erinnerung an den Geruch von unter freiem Himmel verwesenden
menschlichen Körpern gehabt. Und trotzdem ahnten sie, woher der Pesthauch
rührte.
    »Sollen
wir umkehren?«, meinte Brice.
    »Nein. Den
ganzen ... den ganzen Aufstieg ... für nichts«, keuchte Hector außer Atem.
    Den
Hinweisen eines ihrer Führer folgend, waren sie dorthin aufgebrochen, wo
Edouard sein musste. Sie waren einem schmalen Weg gefolgt, der sich rasch auf
einem Gebirgskamm über das Dorf erhob. Linker Hand sahen sie die jungen Varak-Lao-Frauen
an einer Bergflanke ihre Kiepen mit dicken Kolben füllen, die wie Mais
aussahen. Die Männer behielten sich, wie Valerie erklärt hatte, das Jagen und
Fischen vor. Hector und seine Freunde hatten es dem wolkenverhangenen Himmel
zu verdanken, dass sie unterwegs nicht von der Sonne geröstet wurden, aber die
Temperatur begann schon zu steigen, und seit jener Geruch in Schwaden zu ihnen
hinübergeweht kam, umgab ihre Expedition etwas Infernalisches.
    Endlich
stieg der Weg nicht weiter an, und sie waren in einer Zone angelangt, wo es
keine Bäume mehr gab, aber dafür überall hohe Gräser, die ihnen die Sicht
versperrten. Plötzlich standen sie vor einer großen Felsplattform, die über
den beiden Abhängen des Bergkammes thronte. In der Mitte erhob sich ein
kleines Gestell aus Bambus, auf dem eine menschliche Gestalt lag. Die Quelle
des Gestanks.
    Ein Mönch
mit rasiertem Schädel kniete dort in einer schmutzig braunen Tunika mit dem
Rücken zu den Wanderern so nahe an dem Körper, dass man hätte glauben können, er
flüstere ihm etwas ins Ohr. Der Mönch war extrem mager; der unbedeckte Teil
seines Rückens ließ die hervortretenden Rippen sichtbar werden, und seine
Schulter war die eines ausgemergelten Greises.
    Beim
Näherkommen sah Hector, dass die Leiche schon in einem fortgeschrittenen
Zustand der Verwesung war. Um die Augenhöhlen und den Kieferbereich herum
zeigten sich bereits die Knochen, die Augen waren verschwunden, und die
Kleidung, welche den übrigen Körper bedeckte, schien von Eiter und getrocknetem
Blut zu starren. An der Stelle des Bauches gab es einen ekelhaften Krater, aus
dem sich die Raben bereits ihre Nahrung geholt haben mussten. Die Füße waren
nur noch zwei schwärzliche Krallen.
    Meditation
im Angesicht des Grausigen - Hector fiel dieser Brauch der Waldmönche wieder
ein.
    Valerie
und Brice waren zurückgeblieben: Das konnten sie nicht ertragen.
    Hector
hoffte, dass ihm die Erinnerung an die Autopsien seiner Studienzeit helfen
würde, sich dem Mönch und der Leiche weiter nähern zu können. Nach ein paar
Schritten stieß er an einen Stein, der mit einem leisen Geräusch fortsprang.
    Der Mönch
drehte sich um. Er schien wie aus einem Traum zu erwachen und schaute Hector
an, ohne ihn wirklich zu sehen.
    Aber dann
erkannte Hector in den Schattenhöhlen dieses Gesichts, das schon einem
Totenschädel ähnelte, das Lächeln seines Freundes, und er schien glücklich, ihn
wiederzusehen.
     
    Leutnant Ardanarinja beobachtete
das Dorf durch ihr Fernglas.
    Sie trug
einen Tarnanzug und Fallschirmspringerstiefel (zu dieser Truppe hatte sie
tatsächlich einmal gehört), und in ihrer Gürteltasche steckte eine
automatische Pistole. Hinter ihr kauerten zehn Männer im Buschwerk: fünf vom
Spezialeinsatzkommando der nationalen Armee, genauso gekleidet wie Leutnant
Ardanarinja, und fünf Krieger der Varak-Armee in dunkelgrüner Uniform und Mützen
mit langem Schirm.
    All dies
war die Frucht langer Verhandlungen gewesen. Die Männer des Generals durften
das Gebiet der Varak nur betreten, wenn sie von Soldaten dieser

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