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Lemmings Himmelfahrt

Lemmings Himmelfahrt

Titel: Lemmings Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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hab, heute früh. Man sagt mir, ich hätte einen Unfall gehabt. Meinetwegen. Aber ich bin   … ich weiß nicht, wer   … Ich komme, ich weiß nicht, woher   …»
    «Ich gehe, ich weiß nicht, wohin. Mich wundert, dass ich so fröhlich bin», vollendet Lotte Lang den alten Sinnspruch.
    «Eben   … Schauen Sie, ich   … ich habe keine Geschichte mehr, aber Sie haben eine. Vielleicht hilft es mir ja, wenn Sie mir davon erzählen   … Oder von den Leuten hier. Vielleicht wollte ich ja jemanden besuchen, wer weiß   …»
    «Verstehe. Also meine Sorgen   … sind eher privater Natur. Mein Mann und ich, wir   … verstehen uns nicht mehr so gut   … Solche Dinge kommen vor   …»
    «Schon lange?», fragt der Lemming wie nebenbei.
    «Seit fünfzehn Jahren   …»
    «Nein, nicht, wie lang Sie schon verheiratet sind, sondern   …»
    «Seit fünfzehn Jahren», bekräftigt die Ärztin. «Wir haben vor achtzehn Jahren geheiratet   … Ich war, na ja, knapp einundzwanzig damals. Wir haben uns auf der Uni kennen gelernt   …»
    «Fünfzehn Jahre Streit? Das ist doch   …»
    «Ich würd’s nicht Streit nennen», fällt ihm die Ärztin ins Wort. «Kalter Krieg, das wäre wohl passender   …»
    «Aber   … Was ist passiert?»
    Lieselotte Lang starrt auf den Bildschirm, betrachtet das Gehirn des Lemming, als ob es ihr eigenes wäre. Scheint den kleinen, bunten Bezirk zu suchen, der Erinnerung heißt.
    «Er hat einen Freund betrogen», meint sie schließlich. «Mehr kann ich Ihnen nicht sagen   … So Leid es mir tut   …»
    Soll mir recht sein, denkt der Lemming. Was interessieren mich die alten Querelen anderer Leute? Je eher wir zum Wesentlichen kommen, desto besser.
    «Das ist sehr ehrenhaft von Ihnen. Ich will auch nicht in alten Wunden wühlen. Aber was ist mit den anderen Patienten? Zum Beispiel mit diesem   … Balint, dessen Zimmer ich bekommen soll? Wieso ist er ausgerissen?»
    «Der Nestor Balint   … Mit so einem Namen werden dir schon bei der Taufe die ersten Neurosen gestreut   … Aber nein, leider. Ich darf Ihnen auch dazu nichts sagen, Sie wissen schon, ärztliche Schweigepflicht. Nur, dass der Balint früher Musiker war. Er hat Geige g’spielt, sogar bei den Philharmonikern, glaub ich   …»
    Der Lemming lässt nicht locker. Seine Gedanken kreisen um den Toten vom Naschmarkt, der wohl längst aufgeschlitzt und ausgeweidet in einer von Bernatzkys Kühlboxen liegt. Wie soll er ihn nur ins Gespräch bringen, wie soll er auf Ferdinand Buchwieser anspielen, ohne seine Tarnung zu gefährden?
    «Ich kannte einen Mann, der   …»
    So. Jetzt ist es passiert. Jetzt ist er über den eigenen Starrsinn gestolpert.
Ich kannte einen Mann   …
Bravo, Lemming, welch phänomenales Gedächtnis für einen Amnestiker   … Das Blut schießt ihm unversehens ins Gesicht; er ringt nach weiteren Worten, um das Gesagte vergessen zu machen. Die Ärztinaber horcht auf, runzelt die Stirn wie jemand, der Verdacht zu schöpfen beginnt.
    «Sie   … was?»
    «Ich   … kannte einen Mann, der   … hatte einen Schwamm. Der Schwamm war ihm zu nass   …» Der Lemming reckt das Kinn vor, schlägt die Hand vor den Mund, starrt ins Leere.
    «…   Da ging er auf die Gass’   …», ergänzt Lotte Lang. «Ja, mein Lieber, das ist eben der Unterschied zwischen Wissen und Erinnerung. Sie haben schließlich auch die Sprache nicht verlernt   … The rain in spain   …»
    «…   stays mainly in the plain   …», murmelt der Lemming.
    «Da sehen Sie’s, Mister Higgins, Sie können sogar Englisch.» Die Ärztin lächelt.
    Gerade noch. Gerade noch die Kurve gekratzt. Der Lemming atmet auf.
    «Danke, Frau Doktor.»
    «Schon gut. Sagen S’ einfach Lotte zu mir. Ich denke, Sie sollten sich jetzt ausruhen; das war alles ein bisserl viel für Sie. Kommen S’, ich bring Sie zum Rollstuhl.» Sie erhebt sich und greift abermals zum Telefon. «Gehn S’, schicken S’ mir wen ins Röntgen, für einen Transport. Nein, einer reicht   … Aber möglichst rasch, ja? So   …», sie legt den Hörer auf und reicht dem Lemming ihren Arm, «dann ab ins Bett mit Ihnen. Sie werden gleich geholt   … Ach ja, noch eine Kleinigkeit   …» Sie hält kurz inne, und es scheint, als lägen ihr die eigenen Gedanken bitter auf der Zunge. Dann aber meint sie mit gesenkter Stimme: «Falls Sie telefonieren wollen   … In der Empfangshalle unten steht ein   …»
    «Wen sollte ich denn anrufen? Ich kenn doch

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