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Lemmings Zorn

Lemmings Zorn

Titel: Lemmings Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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heißt, dass wir da jetzt das Leichenfeld räumen: Sie fahren heim, ich zurück ins Büro und die Frau   … Leiche in die Prosektur.»
    «Aber   … Was ist mit der Spurensicherung? Man muss doch   …»
    «Gar nix muss man. Tun S’ mi net sekkieren, Herr   … Exkollege, ja? Wir haben nämlich grad ein bisserl recherchiert, was Ihre   …» Polivka hält inne und hebt schnuppernd die Nase. «Sagen S’, Franz   … Waren Sie das?», wendet er sich an den Uniformierten, der sofort entschuldigend die Hände hebt.
    «Nein, Herr Bezirksinspektor. Ehrlich nicht.»
    Ein Schmunzeln. Polivka dreht sich zu Benjamin, zwinkert ihm – beinahe unmerklich – zu. «Braver Bub», brummt er. «Dein Papa bringt dich jetzt nach Haus und macht mit dir a Spurensicherung, die si g’waschen hat.»
    «Was haben Sie recherchiert?», fragt der Lemming, ohne weiter auf Polivkas Sticheleien zu achten.
    «Ah so. Ja also, Ihre Frau   … Lehner is kein unbeschriebenes Blatt, Herr Wallisch. Haben S’ das net g’wusst? Zwei Suizidversuche. Einer erst heuer im Jänner, mit Schlaftabletten. Und voriges Jahr im November, da hat sie’s mit einem Leintuch probiert.»
    «Mein Gott   …»
    Polivka verschränkt die Arme vor der Brust. «Na, kommen Sie: Fragen S’ mich schon.»
    «Was? Was soll ich fragen?»
    «Zum Beispiel, warum Leintuch? Wo’s doch in jedem Baumarkt einen g’scheiten Strick zu kaufen gibt? Aber gut, i mach’s kurz, weil sonst stehen wir zu Stefani auch noch da: Wissen S’, im Landl werden keine Schnürln verteilt. Da sind die Arrestanten auf Schuhbandeln und Leintücheln ang’wiesen.»
    «Im   … Die Frau Lehner war   … im Landesgericht?»
    «Allerdings. Drei Wochen U-Haft .»
    «Aber   … Warum?»
    Polivka antwortet nicht gleich. Er mustert den Lemming mit ernstem Blick und deutet dann auf Ben, der sich – wohlig gewärmt von seiner frisch gefüllten Windel – eben dazu anschickt, einzuschlafen.
    «Net bös sein, Herr Wallisch, wenn ich mich in Ihre Angelegenheiten misch, aber   … Ich tät an Ihrer Stelle vorsichtiger sein, wem ich mein Bauxerl zum Aufpassen geb. Die Frau Lehner hat im letzten Herbst eine Bedingte ausg’fasst, ein Jahr auf Bewährung, um genau zu sein. Verletzung der Aufsichtspflicht und fahrlässige Tötung.» Polivka macht eine Pause und atmet durch. «Es war ihr eigenes Baby», fügt er dann leise hinzu. «Noch net einmal ein Jahr alt. Sie hat’s einfach sterben lassen   …»
    Ben hat inzwischen die Augen geschlossen. Der Lemming tut es ihm gleich. Schwindlig ist ihm jetzt und übel. Er taumelt zwei Schritte zurück, bis er die Kante der Ofenbank in seinen Kniekehlen spürt, und lässt sich erschöpft auf die Sitzfläche sinken. «Entschuldigen Sie, Herr Bezirks   … Der Hunger, die Müdigkeit   …»
    «Ja, ja. Schon gut. Schauen S’ halt, dass Sie endlich heimkommen mit Ihrem Buben.»
    «Das versuch ich schon seit heute Nachmittag», murmelt der Lemming.
    Angela Lehner liegt noch immer auf dem Bett; Franz, der Polizist, hat mittlerweile eine der bunten Decken über ihren toten Leib gebreitet. Jetzt aber stehlen sich zwei Leichenträger ins Zimmer. Unscheinbar, lautlos, die roten Gesichter zu pietätsvollen Masken erstarrt, nehmen sie ihre Fellmützen ab und bleiben stehen.
    «Was is? Worauf wartets denn noch?», herrscht Polivka die beiden an.
    Statt einer Antwort betretene Mienen, schamhafte Seitenblicke zur Tür: Aus dem Dunkel des Vorraums treten zwei alte, gebeugte Gestalten. Ein hagerer Mann mit schlohweißem Haar und eine kleine, verrunzelte Frau, die mit dicken Wollhandschuhen seinen linken Arm umklammert. Ängstlich und verwirrt blinzeln die beiden ins Licht: Während der Mann seinen Blick von den Leichenträgern zu Polivka, weiter zu Franz und schließlich zum Lemming wandern lässt, starrt die Frau mit zusammengekniffenen Augen auf Angelas Bett. Ihr Kopf schlingert leise hin und her.
    «Scheiße», brummt Polivka. «Das auch noch. Fröhliche Weihnachten   …» Er räuspert sich und tritt auf die zwei Alten zu.
    «Was ist hier los?», flüstert der Weißhaarige, noch ehe Polivka etwas sagen kann. «Was tun Sie hier?»
    «Ich   … nehme an, Sie sind das Ehepaar Smejkal», erwidert der Bezirksinspektor mit sanfter Stimme. «Wir haben schon auf Sie   …»
    «Paul und Anna Smejkal, ja», unterbricht der Alte. «Aber sagen Sie doch, was   …» Er verstummt, während die Frau an seiner Seite heftig zu zittern beginnt. Sie öffnet den Mund und stößt mehrere

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