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Lemmings Zorn

Lemmings Zorn

Titel: Lemmings Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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tatsächlich verstanden zu haben: Diesmal ist die Schrecksekunde echt. So echt, dass sie sich gleich zur Schreckminute auswächst. Blass sind Mally und Jandula, Klaus Jandula so blass wie Josefine Mally, Mally noch viel blasser als zuvor.
    «Mein Gott   …», flüstert sie vor sich hin. «Mein Gott   …»
    «Die Polizei glaubt, dass es Selbstmord war», versucht der Lemming die Lage zu nutzen. «Was meinen Sie?»
    «Niemals», murmelt Jandula. «Sie hatte doch   …» Er spricht nicht weiter, stiert auf den Tisch, auf die Fotografie.
    «Was hatte sie?»
    «Sie hatte noch   … Dinge zu tun. Sie war noch nicht fertig mit dem Leben. Weiß man schon», er sieht den Lemming an, «auf welche Art man sie   … Ich meine, wie sie gestorben ist?»
    «Anscheinend vergiftet. Genaueres hoffe ich morgen zu erfahren, auf der Prosektur.»
    «Mein Gott   …» Josefine Mally vergräbt das Gesicht in den Händen. «Wenn Sie wüssten!», stößt sie dann zwischen den Fingern hervor.
    «Wenn ich was wüsste? Wenn ich was wüsste, Frau Mally?» Aber keine Antwort; die Frau schüttelt nur stumm den Kopf.
    «Hören Sie: Ihre Erschütterung in allen Ehren, aber finden Sie nicht auch, dass Sie mir jetzt ein bisserl auf die Sprünge helfen sollten? Warum hat die Frau Lehner Zeitungsausschnitte gesammelt, über den Prantzl und den Farnleithner? Wo steckt ihr Mann? Sie war doch verheiratet, oder? Wer hat Harald Farnleithner entführt? Und wer um alles in der Welt ist
Alf

    Josefine Mally lässt langsam die Hände sinken und blickt zu Klaus Jandula. «Sollen wir?», fragt sie leise.
    Jandula nickt, so gut er eben nicken kann. Dann wendet er sich mit entschlossener Miene dem Lemming zu. «Kommen Sie heute Abend ins
Grissini
. Eine kleine Pizzeria, schräg visa-vis vom Franz-Josefs-Bahnhof. Dort werden Sie
Alf
kennenlernen. Und Sie werden begreifen, worum es hier geht. Das hoffe ich zumindest.»
    «Ins
Grissini
? Und wann?»
    «So gegen acht, schlage ich vor. Wir werden auf Sie warten, oder besser gesagt: Wir werden auf den Journalisten warten, der Sie niemals waren. Verstehen Sie?»
    «Ich   … soll mich wieder als Reporter ausgeben?»
    «Genau. Sie sollen zuhören, nur zuhören, was
Alf
zu erzählen hat. Und noch etwas, Herr Wallisch: Seien Sie vor dem Prantzl auf der Hut. Nachdem sein Hund Sie gestern nicht gefressen hat, muss er wohl mitbekommen haben, dass Sie bei mir waren.»
    «Ja und?»
    «Der glaubt noch immer, dass Sie von der Presse sind. Ich kann mir vorstellen, dass er nicht gerade erfreut darüber wäre, seine sportlichen Ambitionen im Chronikteil der
Reinen
verewigt zu sehen:
Mambos Herrchen boxt friedlichen Nachbarn um den Verstand

    «Denken Sie, dass er Ihnen gefolgt ist?»
    Jandula zuckt mit den Schultern. «Man kann nie wissen», sagt er und steht auf. Nun wieder völlig Gentleman, bietet er Josefine Mally seinen Arm und hilft ihr hoch. Auch der Lemming erhebt sich.
    «Darf ich Ihnen eine letzte Frage stellen, Frau Mally?»
    «Bitte.»
    «Warum die Lüge mit Ihrem Mann? Warum haben Sie im
Farnleithner
erzählt, dass Sie mit einem   … einem Agenten verheiratet sind? Einem Antiterrorspezialisten?»
    Es ist das erste Mal, dass der Lemming Josefine Mally lächeln sieht. «Manchmal», erwidert sie mit einem schelmischen Zwinkern, «ist mir ein Bond auf dem Dach eben lieber als ein Colt in der Hand.»

17
    «Haben S’ schon g’hört, Herr Walli? Haben S’ schon g’hört von der furchtbaren Kastrat   … von dem Unglück? Meiner Seel, die armen Leut, die vielen Touristen!» Das hat er gerade noch gebraucht, der Lemming. Frau Homolka hat sich in ihrer textilen Blumenpracht vor ihm breitgemacht; sie versperrt ihm den Zugang zu seiner eigenen, wenn auch schon fast nicht mehr eigenen Wohnung. Es gibt kein Vorwärts, kein Zurück, man muss seinen Tribut entrichten, um das gedunsene Bassenaweib passieren zu dürfen. Einen Tribut, der darin besteht, Interesse zu heucheln.
    «Was ist denn gar so Schreckliches passiert, Frau Homolka?»
    «Sie wissen S’ noch nicht? Wo’s heut sogar schon im Radio war und im Fernsehen? Da unten bei die Eingeborenen, im Meer, da hat’s ein Erdbeben ’geben, also mitten im Ozean drin, so ein   … ein Wasserbeben. Und jetzt stellen S’ Ihnen vor», Frau Homolka illustriert ihre Worte mit weit ausholendenArmbewegungen, «dann ist so ein Dings ’kommen, so ein Tsumi, Tsutsi, was weiß ich, so eine Mordstrumm Welle halt. Keiner hat’s g’wusst vorher, weil es war ja angeblich

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