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Lemmings Zorn

Lemmings Zorn

Titel: Lemmings Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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wobei sie den Lemming mit weichen, geradezu mitleidigen Blicken bedenkt.
    «Ich habe keinen Mann, Herr Wallisch», sagt sie sanft.
    «Wie, Sie haben keinen Mann?»
    «Ich hatte einmal einen, in meiner Jugend. Eine Erfahrung, die   … die, sagen wir, genügend intensiv war, dass ich sie nicht noch einmal machen muss.»
    Wenn etwas gesessen hat, dann das. Ein Luftschloss, das sich auf niederträchtige Art zu Pressehäusern und Lügengebäuden gesellt. Es bricht nicht zusammen, nein, es löst sich so locker, so flockig in nichts auf, dass der Lemming gebannt auf die Stelle starrt, an der es eben noch gewesen ist. Er starrt nach innen, in seinen eigenen, erschreckend leeren Schädel, der jetzt apathisch zu schlenkern beginnt. Die Bestürzung, der Tremor: All das hat nun jählings die Seiten gewechselt.
    «Aber Sie haben doch   … Sie haben doch behauptet, Sie hätten einen Mann. Unten im
Farnleithner
haben Sie’s behauptet   … Ich verstehe das nicht.»
    Mally und Jandula wechseln einen kurzen, aber vielsagenden Blick. «Also doch», meint Josefine Mally. «Also doch.»
    «Also doch was?»
    «Also doch Detektiv. Das Wirtsweib hat Sie engagiert, oder nicht? Damit Sie Ihre Nase in fremde Angelegenheiten stecken.»
    «Und wie ist er dann auf den Prantzl gekommen?», sagt Jandula halblaut zu Mally. «Und auf mich?»
    «Das   … weiß ich auch nicht. Keine Ahnung.»
    «Wir werden ihn fragen müssen.»
    «Ja, glauben Sie denn, dass er antworten wird? Nach all den Schwindeleien? Der will uns einfach nicht die Wahrheit sagen.»
    Jandula zuckt mit den Achseln; er wendet sich fragend dem Lemming zu. «Wollen Sie?»
    «Ich will», gibt der Lemming mit der heiseren Stimme eines Bräutigams vor dem Altar zurück. Denn er weiß nun, dass er die wenigen ihm noch verbleibenden Trümpfe ausspielen muss, um vielleicht einen Blick in Mallys und Jandulas Karten zu erhaschen.
    «Diese Frau da», sagt er und tippt mit dem Finger auf das Foto. «Diese Frau da, Angela Lehner. Sie ist es, um die sich alles dreht.»
    «Wie meinen Sie das?» Fast unisono haben Mally und Jandula diese Frage hervorgestoßen, sichtlich erschrocken, erregt.
    «Wie ich das meine? Na, wie ich es sage. Die Frau Lehner hat mich quasi losgeschickt, um ihren Mörder zu finden. Den, der sie auf dem Gewissen hat.»
    Es ist schon sonderbar: Die rüde, ja brutale Weise, auf die der Lemming Mally und Jandula mit Angelas Tod konfrontiert, scheint ihre Wirkung völlig zu verfehlen. So, als wüssten die beiden bereits, was mit der fuchsroten Frau geschehen ist, die da – Seite an Seite mit ihnen – in die Kamera schaut.
    «Die Frau Lehner weiß sehr gut, wer sie auf dem Gewissen hat», sagt Klaus Jandula kühl. «Dazu braucht sie Ihre Dienste sicher nicht.»
    «Ach! Wirklich nicht? Und Sie, Herr Jandula? Frau Mally? Kennen Sie den Täter etwa auch?»
    «Nicht persönlich», murmelt Josefine Mally. «Die Frau Lehner ist in dieser Hinsicht etwas   … schweigsam.»
    Falscher Film, denkt der Lemming. Ich bin hier eindeutig im falschen Film gelandet. Dann aber – nach und nach – keimt eine Ahnung in ihm auf. Die Ahnung nämlich, dass es Jandula und Mally sind, die sich gewissermaßen in der Tür geirrt haben. Dass die beiden über etwas völlig anderes sprechen, über etwas, das sich seiner Kenntnis – noch – entzieht.
    «Ist Ihnen eigentlich klar», versucht er es also noch einmal, «dass Angela Lehner tot ist?»
    «Auf die eine oder andere Art», erwidert Jandula, «sind wir das doch alle. Aber zugegeben, die Frau Lehner hat es ganz besonders schlimm erwischt.»
    «Ja, Kruzifix!» Mit geballten Fäusten springt der Lemming auf. «Ich glaub, Sie wollen einfach nicht verstehen!»
    Ein vernehmliches Räuspern am Nebentisch, ein tadelnder Blick des Kellners, und der Lemming nimmt wieder Platz. «Sagen Sie uns doch in aller Ruhe, was Sie meinen», sagt Josefine Mally beschwichtigend. «Wir werden unser Bestes geben, Ihnen zu folgen.»
    «Gut   … gut.» Der Lemming atmet durch. «Also noch einmal   …» Und dann erzählt er. Berichtet die ganze Geschichte. Er beginnt beim Ersten Mai, bei Bens chaotischer Geburt, spannt den Bogen über den Sommer, über die wachsende Freundschaft mit Angela und endet in der grauenhaften Christnacht vor zwei Tagen, als er den roten Engel mit gebrochenen Flügeln auf seinem Lager gefunden hat. «Es war kein Himmelbett», sagt der Lemming zum Abschluss. «Es war ein Totenbett. Verstehen Sie das jetzt?»
    Jandula und Mally scheinen

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