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Lemmings Zorn

Lemmings Zorn

Titel: Lemmings Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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Und dass Angela trotzdem nicht   … Nein, ich konnte und kann es nicht glauben. ‹Wann machst du Schluss mit ihm?›, hab ich sie gefragt. Und: ‹Darf ich dabei sein?› Da hat sie mich angesehen und hat   … den Kopf geschüttelt, einfach so, und hat allen Ernstes gemeint, es sei nicht ihr Plan, die Ratte zu töten. Sie habe zwar immer und immer wieder mit diesem Gedanken gerungen, aber sie sei nun einmal keine Mörderin   … ‹Dann mache ich es›, hab ich geantwortet. ‹Sag mir, wo dieser Raum ist, und gib mir die Schlüssel. Du hast ohnehin schon genug getan.›» Frank Lehner verfällt in brütendes Schweigen und fischt sich eine weitere Zigarette aus der Packung.
    «Sie hat sich geweigert, nehme ich an», sagt der Lemming. Ein stummes, grimmiges Nicken Frank Lehners.
    «Und da haben Sie sie   …»
    «Hab ich nicht!», fällt Lehner dem Lemming ins Wort. Schon ist er vom Stuhl aufgeschnellt; seine Augäpfel quellen hervor, als wären sie dazu entschlossen, ihre Höhlen nun vollends zu verlassen. «
Wollen
oder
können
Sie es nicht kapieren? Ich habe meine Frau nicht umgebracht! Ich war es nicht!»
    «Das wollte ich auch gar nicht sagen», gibt der Lemming trocken zurück. «Ganz abgesehen davon, dass ich es längst nicht mehr glaube: Für einen leisen, verschlagenen Giftmörder sind Sie mir entschieden zu cholerisch.»
    Frank Lehners Wut gleicht in diesem Moment der Raumfähre
Columbia
bei ihrem folgenschweren Landeanflug vor nicht ganz zwei Jahren: eben noch rasend und glühend, schon in der Erdatmosphäre verpufft. Langsam lässt sich Lehner zurück in den Sessel sinken. «Was   … Was wollten Sie dann sagen?»
    «Dass Sie die Angela angebrüllt haben. Lieg ich da richtig?»
    «Nicht ganz», murmelt Lehner betreten. «Zugegeben, ich war kurz davor, aber ich habe versucht, mich zu zügeln: ihr Sohn, Herr Wallisch. Er hat mich so angesehen   … wie Sie jetzt. So misstrauisch, prüfend. Das hat mich ernüchtert. Außerdem wollte ich nicht von den alten Smejkals gehört werden; die waren ja noch oben im Haus. Wahrscheinlich bin ich trotzdem, sagen wir, ein wenig   … intensiv geworden. Ich musste einfach die Adresse dieses ominösen Raums bekommen, die Adresse und die Schlüssel. Ich
musste
, verstehen Sie? Ordnung machen. Den Dreck wegräumen, und nicht ihn   …
erziehen
. Wir haben gestritten, Angela und ich. Aber es war nur ein kurzer Streit   …»
    «Was wollen Sie damit sagen?»
    «Dass sie mich hinausgeworfen hat.»
    «Und Sie?»
    «Ich bin gegangen. Kurz vor elf hab ich mich aufgemacht und bin wohl eine gute Stunde lang im Schnee herumgeirrt. Es hat in mir gearbeitet. Gewühlt. So gegen zwölf hab ich mich dann dazu entschlossen, es noch einmal zu probieren. Ich dachte, vielleicht geht es ja leichter, die richtigen Worte zu finden, wenn die Alten endlich aus dem Haus sind, wenn sie bei ihrer spiritistischen Mitternachtsséance in der Kirche hocken, statt im ersten Stock herumzuspuken und Angela mit ihrem Heiligen Geist den Kopf zu vernebeln. Im Obergeschoss war es auch wirklich finster; ich bin also wieder nach hinten und habe durchs Fenster geschaut. Es war seltsam   … Ich konnte auf Anhieb spüren, da stimmt was nicht. Angela ist auf dem Bett gelegen, mit Ihrem Buben, Herr Wallisch, und hat auf einmal so   … erschöpft gewirkt. Unendlich müde   …»
    «Todmüde.»
    «Ja. Sie konnte sich kaum mehr bewegen; sie hat es gerade noch geschafft, die russische Puppe zu öffnen und – die Schlüssel darin zu verstecken. Dann hat sie den Arm um den Kleinengelegt und ist eingeschlafen. Ich   … Ich wusste nicht, was ich tun sollte; immerhin konnte es sein, dass ich mich irrte, dass sie einfach nur ein kurzes Nickerchen machte. Also wollte ich ums Haus, um mir irgendwie Zutritt zu verschaffen, durch ein schlecht versperrtes Fenster vielleicht oder auch durch die Vordertür: Wenn die Smejkals zufällig vergessen hatten, abzuschließen   …»
    «Sie wollten sich die Schlüssel holen», unterbricht der Lemming, obwohl er sich des Risikos bewusst ist, mit diesen Worten einen weiteren Wutanfall Lehners heraufzubeschwören. Doch die Eruption bleibt diesmal aus.
    «Ich wollte nach meiner Frau sehen und mich um das Kind kümmern. Es gibt nämlich Dinge, Herr Wallisch, die sich nicht wiederholen sollten», meint Frank Lehner leise. «
Und
ich wollte mir die Schlüssel holen», fügt er nach einer kurzen Pause hinzu.
    «Da bin ich Ihnen in die Quere gekommen.»
    «Allerdings. Wobei Sie

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