Lena Christ - die Glueckssucherin
Ende mit aller Lust.
Der Ernst des Lebens ist da.
Ich gehe jedenfalls jetzt bald ins Kloster.
Oder ich heirate.
Außer, ich finde meinen Vater.«
10 Lena Christ, um 1898
Nach dem Vorfall am Hochzeitstag der Eltern war abzusehen, dass sich die katastrophale Mutter-Tochter-Beziehung mit den Jahren nicht entspannen, sondern noch verschärfen würde. Ein neuer Aspekt gewann an Brisanz, anfangs unbemerkt von beiden: Rivalität. Lena war kein Kind mehr, sondern eine reizvolle junge Frau. Das war unübersehbar, wenn sie in der Gaststube bediente. Sie zog nun die Blicke auf sich, die vorher ihrer Mutter gegolten hatten. Außerdem war sie sehr intelligent. Auch das empfand die Mutter als Bedrohung und diffamierte es als Besserwisserei. Noch mehr fühlte sie sich von Lenas Fantasie provoziert, einer Eigenschaft, die in gutbürgerlichen Kreisen jener Zeit nicht viel galt. Es fiel somit leicht, sie als Fantasterei, Überspanntheit, Hysterie abzuqualifizieren. Noch war die Mutter überlegen in dem Kampf der beiden Frauen, doch sie muss geahnt haben, dass es damit bald zu Ende sein würde.
Wohl auch deshalb stimmte sie Lenas Entschluss zu, ins Kloster zu gehen. Lena hatte Widerstand erwartet, doch die Mutter unterstützte sie sowohl finanziell als auch moralisch. Die Anregung zu diesem Schritt kam durch eine junge Frau, die Lenas Tante besuchte und von ihrem Vorhaben berichtete. All das, was sie dabei über das Leben der Nonnen erfuhr, gefiel Lena so sehr, dass sie denselben Weg für sich in Erwägung zog. Nachdem sie wegen ihrer Herkunft als uneheliches Kind von einigen Klöstern abgelehnt worden war, empfahl ihr ein Pater das Kloster Ursberg im Landkreis Günzburg in Schwaben. Im November 1898 bewarb sich Lena Christ mit ihrem Lebenslauf:
München, am 15. November 1898
Hochwürdiger Pater Guardian!
Ihrem Wunsche gemäß schreibe ich jetzt kurz meinen Lebenslauf nieder.
Mein Name ist Pichler Magdalena; ich bin außerehelich geboren am 30. Oktober 1881 zu Glonn; ich bin jedoch seit dem Jahr 1888, wo meine Mutter heiratete, heimatberechtigt in München. Ich wurde während meiner ersten 7 Lebensjahre von meiner Großmutter erzogen. Da besuchte ich auch die Volksschule ein Jahr lang. Mit meinem 7ten Lebensjahre kam ich zu meinen Eltern nach München. Hier besuchte ich nun die Werktagsschule an der Amalienstraße, aus welcher ich mit beiliegendem Zeugnisse entlassen wurde. Ich kam hierauf an die Gabelsbergerschule, in welcher ich die Mittwochschule und Christenlehre besuchte. Auch von dieser Schule liegen die Zeugnisse bei. Nachdem ich nun ganz aus der Schule entlassen war, musste ich im Hause thätig sein. Dabei lernte ich Hausarbeit, Kochen, Zimmerarbeit, Handarbeit und auch etwas Klavierspiel. Meine Eltern haben ein Gasthaus gepachtet in der Sandstraße 34 Pfarre St. Benno. Ich habe auch noch drei kleine Brüder, von denen der älteste erst 8 Jahre ist. Es ist schon seit meiner Kindheit an mein Verlangen, mich von der Welt zurückzuziehen und in ein Kloster zu gehen. Allein bei einem außerehelichen Mädchen ist hart zu suchen. Meine Mutter frug schon bei mehreren hiesigen Klöstern nach; nirgends wurde ich jedoch aufgenommen. Bei den englischen Fräulein wäre ich allerdings genommen worden, aber das hätte eine Masse Geld gekostet; da meine Brüder auch ganz unversorgt sind, so konnten es meine Eltern nicht bestreiten; denn meine Eltern haben auch nicht viel mehr als das Geschäft. Ich dachte also, es sei der Wille Gottes, dass ich aus dem Kloster bleibe, Da hörten wir vom Kloster Ursberg; und deshalb bitt ich Euer Hochwürden, in dem besagten Kloster nachzufragen, ob ich in dasselbe aufgenommen werden kann, oder nicht. Meine Eltern lassen auch um Näheres bitten über die Aussteuer, damit ich mir dieselbe bis zum Eintritte richten kann. Ich bekomme von meiner Mutter außerdem auch noch 400–500 M Bargeld.
Indem ich nochmals herzlich bitte, dass sich Euer Hochwürden meiner annehmen wolle, verbleibe ich
In Demut mich beugend vor Gottes Wille
Hochachtungsvoll ergebenst
Pichler Magdalena
Gastwirtstochter in München
Sandstraße 34/0
Eine Woche später, am 21. November 1898, sandte Pater Aloys Guardian Lenas Lebenslauf, zusammen mit einem Empfehlungsbrief, an den Superior des Klosters. Das Mädchen habe einen sehr guten Eindruck auf ihn gemacht, was durch ihre beiliegenden Schulzeugnisse und durch den von ihr verfassten Lebenslauf noch unterstrichen würde. Eine Woche später berichtete er dem Superior, Lenas
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