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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Woche überfällig. Kannst du mir erklären, wo das Problem liegt?«
    »Seit wann interessieren dich unsere Produktionsschwierigkeiten?«
    »Die interessieren mich tatsächlich nicht. Ich gebe dir noch vierundzwanzig Stunden.«
    Der Besitzer des Arbeitszimmers, in dem dieses Gespräch stattfand, stemmte seinen aufgeschwemmten Körper schnaufend aus dem tiefen Sessel. Er war von riesiger Gestalt und hatte ein tiefrotes Gesicht. Sein Name Burjak – der Aufbrausende – paßte hervorragend zu ihm. Nun blickte er von oben auf seinen Gesprächspartner herab.
    »Was sitzt du noch hier rum? Du kannst gehen.«
    Der, ein grauhaariger Schönling wie von einem Werbeplakat, zeigte ein strahlendes Lächeln. Sein Name war Weiß. Das war sein Familienname, aber alle Bekannten nannten ihn nur so, weshalb seine Partner in der Unterwelt glaubten, das sei sein Deckname.
    »Reg dich nicht auf. Du hättest dich früher bemühen sollen. Bei uns kann man nicht kommen und alles sofort haben wollen. Wir haben unsere eigene Technologie und unsere eigenen Termine«, suchte Weiß den Dicken zur Vernunft zu bringen.
    »Aufregen mußt du dich!« schrie Burjak plötzlich mit unerwartet hoher Stimme los.
    Als Weiß wieder in seinem Auto saß, war er blaß und blickte besorgt drein.
    »Nach Lesnogorsk«, befahl er seinem Chauffeur, schloß die Augen und ließ sich in die weichen Polster sinken.
    Der schwarze BMW bog auf den Moskauer Außenring ein. Draußen flog nasser, kahler Herbstwald vorbei. Der Oktober ging zu Ende, das Laub war abgefallen, die Bäume ragten nackt und traurig in den Himmel.
    Weiß ging durch den Sinn, wie gut es war, in diesem sauberen, warmen Fahrzeug durch die Landschaft zu fahren, Louis Armstrong zu hören und zu wissen, daß er mit seinen englischen Wildlederschuhen nicht in diesen Schmutz treten, nicht zusammen mit deprimierten alten Weibern, betrunkenen, fluchenden Männern im Eisregen auf den Bus warten und sich mit der dampfenden, übelriechenden Menge in einem solchen Fahrzeug drängen mußte.
    Burjak mußte halt warten, nicht einen Tag, sondern mindestens noch eine Woche. Dann gab es frisches Material. Die Hauptsache aber war jetzt, wie man an neue Quellen herankam. Das konnte er nicht der alten Sotowa überlassen. Sie war die Praktikerin, die die Sache ausführte. Aber er, Weiß, war der Theoretiker, der Chef, Herz und Hirn des Unternehmens.
    Doch Amalia Petrowna einen kleinen Schrecken einzujagen konnte nicht schaden. Sie allein war schuld an dieser dummen Sache mit dem Weib, das aus ihrer Klinik entschlüpft war. Sie glaubte, alle schwangeren Frauen seien schicksalsergebene, hirnlose Wesen, die jedem Wort des Arztes blind gehorchten und nicht zu eigenem Handelnfähig waren. Weiß imponierte die fremde Frau sogar, die es gewagt hatte, sich der Prozedur zu widersetzen.
    Genüßlich stellte er sich vor, wie er der alten Vettel beim Eintreten sagen würde: »Wir arbeiten schließlich nicht mit Tieren, meine Liebe!«
     
    »Wir arbeiten schließlich nicht mit Tieren, meine Liebe!« tönte er, als er ihre Schwelle überschritt, und fügte hinzu: »Das soll Ihnen eine Lehre sein.«
    Amalia Petrowna erstattete ihm in allen Einzelheiten Bericht. Voller Zorn gab sie auch das Gespräch mit Hauptmann Sawtschenko wieder. Sie hoffte, Weiß werde verstehen, daß sie keine Schuld traf. Im Gegenteil, sie hatte getan, was sie konnte.
    »Drei Ihrer Männer jagen nun schon seit Tagen durch ganz Moskau hinter dieser verdammten Frau her. Sie haben ihr Telefonbuch, ihr Foto und die Schlüssel zu ihrer Wohnung. Aber sie sind offenbar Vollidioten«, schloß sie ihren Bericht. Weiß hatte durchaus verstanden, daß die Betonung auf »drei Ihrer Männer« lag.
    »Und was machen wir mit der Poljanskaja, wenn wir sie endlich haben?« preßte er zwischen den Zähnen hervor, als Amalia Petrowna geendet hatte. »Sie ist in der 26. Woche, und was wir brauchen, darf höchstens 25 Wochen alt sein.«
    »Erstens kann alles mögliche passieren. Eine Woche spielt da keine so große Rolle. Außerdem kann man den Termin ohnehin nicht auf eine Woche genau feststellen. Mein Mann in der Aufnahme, der die Ultraschalluntersuchung durchgeführt hat, ist ein erfahrener Arzt. Zweitens bin ich der Meinung, daß wir in diesem Fall unbedingt etwas unternehmen müssen. Sie ist Journalistin und kann weitreichende Verbindungen haben. Schon einmal hat sie uns bei der Miliz angezeigt. Vielleicht wendet sie sich weiter.«
    »Na und? Soll sie! Ich glaube, Sie verwechseln

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