Lenas Flucht
professionell.
Die Bedenken, die er noch hatte, verflüchtigten sich rasch, als der Hexer ihm ein dickes Bündel Dollars überreichte. Eine solche Summe hatte Juri selbst in seinen besten Tagen nie gesehen. Für weniger wollte er sich nun nicht mehr verkaufen.
Er wärmte alte Bekanntschaften wieder auf, besuchte längst vergessene Freunde – vorwiegend ehemals berühmte Schriftsteller und Dichter.
Keiner der Geschädigten dachte auch nur im Traum daran, bei der Miliz zu erwähnen, daß vor dem Einbruch ein alter Bekannter und guter Freund, das Mitglied des Schriftstellerverbandes Juri Bubenzow, zu Gast gewesen war.
Bald zeigte sich jedoch, daß es in Moskau nicht gar so viele Opfer dieser Art gab. Die Quelle versiegte. Entsetzt mußte Bubenzow feststellen, daß das Interesse des Hexers an ihm rasch nachließ. Allerdings kannte er sich in dessen Kreisen inzwischen so weit aus, daß er wußte: Eine Trennung im guten gab es dort nicht. Selbst wer nur kurz mit dem Hexer zusammenarbeitete, erfuhr einiges über ihn, und er konnte nicht zulassen, daß solche Informationen unkontrolliert herumschwirrten. Entweder setzte man mit einem solchenPartner die Zusammenarbeit fort, oder er wurde zu Abfall, den der Hexer spurlos entsorgen ließ.
Spurlos entsorgt werden wollte Bubenzow natürlich nicht, aber der Hexer schlug ihm auch kein neues Geschäft vor. Er mußte sich also selbst etwas einfallen lassen.
Die Not brachte ihn auf eine tollkühne Idee. In der Armee war er bei den Scharfschützen gewesen. Auch danach war das Schießen sein Hobby geblieben, und er hatte es darin zu beträchtlicher Meisterschaft gebracht.
Als er dem Hexer derartige Fähigkeiten andeutete, dachte er nicht weiter darüber nach, wie dieser davon Gebrauch machen könnte. Es war eher ein Rettungsanker, an den er sich verzweifelt klammerte.
Der Hexer ließ es nicht dabei bewenden, sondern veranstaltete sofort ein Probeschießen in einem Sportverein. Als er sah, daß der Schriftsteller in der Tat ein Meisterschütze war, kam er ins Grübeln. Einen guten Schützen konnte er immer gebrauchen.
Zu dieser Zeit suchte ihn Anatoli Weiß mit seinem Anliegen auf.
Dem Hexer kam von Anfang an verdächtig vor, daß Weiß, der über eigene Möglichkeiten verfügte, ausgerechnet bei ihm einen Killer bestellte. Die Sache sah so einfach aus – eine Frau beseitigen, die weder bewaffnet war noch von jemandem beschützt wurde. Aber Weiß bestand darauf, daß die Sache wie ein Unfall aussehen müsse – wie er wußte, eine teure Angelegenheit.
Der Hexer witterte eine Falle. Das junge, hübsche Weib konnte zum Beispiel die Geliebte oder Verwandte eines hohen Tieres sein. Das war schon passiert, nicht ihm, aber anderen. Deren Schicksal wollte er nicht unbedingt teilen. Auf dieser Ebene bekam man schnell heraus, wer den Killer geschickt hatte.
Aber einen so lukrativen Auftrag, für den man eine Menge kassieren konnte, wollte er sich auch nicht entgehen lassen. Und der listenreiche Hexer beschloß, Weiß statteines echten Killers den schießwütigen Schriftsteller unterzuschieben.
Doch an einen Unfall war nun nicht mehr zu denken. Aber schließlich war Weiß auch kein so wichtiger Kunde. Dem konnte man normale Kost vorsetzen, er schluckte sie gehorsam.
»Ein Unfall ist teuer«, kam es nachdenklich vom Hexer, als Weiß geendet hatte.
»Das weiß ich. Die Hälfte im voraus.«
»Warum nicht alles sofort auf die Hand?« fragte der Hexer.
Das war gegen die Regel, aber Weiß ließ sich darauf ein und rückte auf der Stelle 15 000 Dollar heraus.
Der muß es aber nötig haben! dachte der Hexer, als er ihm nachschaute. An dem Auftrag ist etwas faul, das sieht ein Blinder!
Bubenzow kam auf den ersten Wink herbeigeeilt.
»Lieber Juri«, begann der Hexer, so freundlich er nur konnte, »du hast doch solchen Schlag bei den Weibern. Sie kleben an dir, daß man neidisch werden könnte. Jetzt sollst du eine schöne Frau ruhigstellen. Ein guter Freund hat mich darum gebeten.«
Bubenzow brach der Schweiß aus. Er begriff sofort, daß von einem Auftragsmord die Rede war und das Opfer auch noch eine Frau sein sollte. »Nein!« wollte er schreien. »Das kann ich nicht!« Aber er sagte keinen Mucks und blieb stumm wie ein Fisch.
»Die Sache ist einfach, und es gibt eine Menge Kohle zu verdienen«, fuhr der Hexer fort. »Das Weib lebt allein, läuft unbewaffnet ohne Wachen herum, und auch ihre Wohnungstür ist nicht aus Stahl. Leg sie irgendwo in aller Stille um, und die Sache ist
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