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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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nichts?!« fragte er verblüfft.
    »Das hast du nur geträumt. Wir haben zusammen Tee getrunken und Schluß.« Sie lachte und blickte ihm fest ins Gesicht.
    »Die wievielte Frau hast du gerade? Die achte? Oder die zehnte? Und ein Kind hast du auch, einen Sohn, kaum ein halbes Jahr alt. Komm endlich zur Ruhe. Leb mit deiner Frau, zieh deinen Sohn groß, und laß die Kapriolen.«
    »Aber ich liebe diese Frau nicht …«
    »Warum hast du sie dann geheiratet? Komm, Juri, es reicht. Ich muß gehen, die Tante wartet auf mich.«
    Sie stand auf, rief den Hund, legte ihn an die Leine und ging zum Hoftor.
    »Lena!« rief er sie leise an.
    Sie verlangsamte ihren Schritt und schaute sich um.
    »Du liebst mich doch. Es wird dir noch leid tun.«
    Lena ging ohne ein Wort.
    Das war vor drei Monaten gewesen. Man schrieb Anfang August, aber das Wetter war wie im Herbst. Es nieselte. Bubenzow erinnerte sich, daß Lena enge blaßblaue Jeans und einen weiten beigefarbenen Pullover getragen hatte. Die langen dunkelblonden Haare kräuselten sich leicht von der Feuchtigkeit.
    Ja, es war August, und es regnete. Jetzt hatte man November, und vom blauen Himmel strahlte die helle Morgensonne.
    Wie seltsam, ging es Bubenzow durch den Kopf. Er schaute auf die Uhr. Seit seinem Anruf waren zwanzig Minuten vergangen. Er nahm sich eine neue Zigarette, aber zum Anzünden kam er nicht mehr.
    Auf dem Schotterweg ging eine Frau direkt auf ihn zu. Sie hatte enge hellblaue Jeans und eine weite beigefarbene Jacke an. Außerdem trug sie eine große Sonnenbrille. Das lange dunkelblonde Haar flatterte im Wind. Sie hatte die Sonne im Rücken, die ihre schlanke Silhouette betonte, aber ihr Gesicht in tiefen Schatten tauchte. Plötzlich spürte er: Sollte sie näher kommen, die Brille abnehmen und auch nurein einziges Wort sagen, dann würde er nicht mehr schießen können. Das war dann wohl sein Ende. Die fanden ihn überall, und wenn er sich in einem Mauseloch verkroch.
    Die Frau tat noch einen Schritt. Da drückte er ab.
    Es gab nur einen leisen Blubb. Ein par Krähen flatterten erschreckt vom Zaun auf.
    In seinem Kopf aber ertönte ein schrilles, metallisches Klirren, als ob dort eine gewaltige Feder, die bis zum Bersten gespannt war, plötzlich aufsprang und leise nachzitterte.
    Die Art, wie die Frau in sich zusammengesunken war, sagte Bubenzow sofort, daß er nicht noch einmal zu schießen brauchte. Aber der Hexer hatte für diesen Fall strengen Befehl gegeben.
    Mit einem Sprung war er bei ihr. Bubenzow erstarrte zur Salzsäule.
    Die Sonnenbrille war heruntergefallen und zur Seite gerollt. Vor ihm lag ein völlig unbekanntes Mädchen. Sie hatte in der Tat Ähnlichkeit mit Lena Poljanskaja, aber nur von fern.
    Juri sah sich kurz um und schleppte die Tote dann rasch zu dem Betonrohr, auf dem er eben gesessen hatte. Er schob sie hinein, winkelte ihre Beine in den Wildlederstiefeln leicht an, damit sie von außen nicht zu sehen waren, und lehnte eine große Sperrholztafel, die herumlag, gegen die Öffnung. Die andere Seite verbarrikadierte er mit einem kurzen, unbehauenen Brett, wobei er sich einen Splitter in die linke Hand zog und lästerlich fluchte.
    Das Brett fiel um, aber er versuchte gar nicht erst, es wieder aufzurichten. Nur weg, so schnell wie möglich. Fast automatisch folgte der Gedanke, daß er jetzt Lena in der Wohnung aufsuchen mußte. Aber besser, er kam nicht vom Hof, sondern von der Straße. All das dachte und tat er ganz mechanisch, wie ein aufgezogener Apparat. Die Straße war leer, und Bubenzow wurde von niemandem gesehen.
     
    Lena drehte und wendete sich noch ein wenig im Bett. Schließlich sah sie ein, daß an Schlaf nicht mehr zu denken war. Sie stand auf und ging ins Bad.
    Dieser Bubenzow hat mir gerade noch gefehlt, dachte sie, als sie sich den Kopf wusch.
    Im Flur bellte Pinja laut auf. Das geschah selten. Meist reagierte er so auf einen Artgenossen, den er auf der Treppe hörte.
     
    Bubenzow war mit Hilfe eines Dietrichs eingedrungen, den ihm der Hexer zusammen mit der Pistole und dem Schalldämpfer ausgehändigt hatte. Das einfache Schloß war sofort aufgesprungen.
    Der alte, lahme Dackel kläffte und schnappte nach seinem Hosenbein. Juri versetzte ihm einen Tritt, daß er zur Seite flog, und schritt zum Bad, wo er Wasser plätschern hörte. Die Tür war nicht verschlossen. Dampf schlug ihm entgegen. Durch den vorgezogenen Plastikvorhang war nichts zu sehen. Der Dackel ließ sich nicht abschütteln, bellte und zerrte weiter an

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