Lenas Flucht
Partei ein, im fünften wurde er Mitglied des Schriftstelleverbandes. Als er das Diplom in der Hand hielt, tauschte er seine Zwei- gegen eine Dreizimmerwohnung und ließ sich von der Frau scheiden, deren er längst überdrüssig war.
Nun wechselten Ehefrauen und Geliebte in rascher Folge. Einige brachten ihm Kinder zur Welt. Nach seiner Meinung taten die Frauen das nur, um ihn an sich zu binden. Mit Babys, die unablässig brüllten und Windeln vollmachten, konnte er absolut nichts anfangen. Sie waren ihm nur im Weg. Frauen und Kinder ließ er gnadenlos im Stich, als müßte er sich dafür rächen, daß ihm Moskau nicht umsonst zugefallen war, sondern um den Preis einer fünfjährigen Ehe mit einem dicken, hysterischen Weib.
Seine Karriere lief wie von selbst. Seine langweiligen patriotischen Soldatengeschichten erschienen in den besten Literaturjournalen und als Bücher mit hohen Auflagen, die Honorare flossen und ermöglichten ihm ein sorgenfreies Leben, denn dazu kamen die Sonderzuteilungen für Schriftsteller, ausführliche Lesereisen durch die schönsten Gegenden des Landes und ein Stammplatz im gemütlichen Restaurant des Hauses der Schriftsteller mit seiner hervorragenden Küche, in das gewöhnliche Sterbliche keinen Zutritt hatten.
Der Ruf des zynischen, aber charmanten Schürzenjägers ließ ihn für das schöne Geschlecht nur noch interessanter erscheinen, und selbst die Männer beneideten und bewunderten ihn.
Ende der achtziger Jahre wurde Bubenzow klar, daß die Zeiten sich geändert hatten. Er versuchte es mit unverhüllter Pornographie, aber man druckte ihn immer weniger und schließlich überhaupt nicht mehr.
Bubenzow mußte sein Leben grundlegend ändern, aber dazu schien er nicht mehr fähig zu sein. Da tauchte seinLandsmann Iwan Golowanow auf der Bildfläche auf. Sie waren in Tjumen in einem Hause aufgewachsen und sogar ein wenig befreundet gewesen. Nachdem sie sich eine Ewigkeit nicht gesehen hatten, saßen sie zufällig im Restaurant des Hauses der Schriftsteller an benachbarten Tischen.
Golowanow roch nach sehr viel Geld. Juri fühlte sich davon magisch angezogen. Bald stellte sich heraus, daß er in der Unterwelt eine wichtige Rolle spielte und von allen nur respektvoll der »Hexer« genannt wurde.
Der Hexer verbrachte seine Abende gern in intelligenter Gesellschaft. Und wenn ein Schriftsteller sich auch noch als Landsmann und Freund aus Kindertagen herausstellte, wurde er an seinem Tisch besonders gastfreundlich empfangen. Bubenzow lenkte das Gespräch bald darauf, wie schwer ein Autor sein Brot verdiente, welche Probleme es mit den Verlagen gab und daß die kümmerlichen Honorare nie reichten.
»Hältst du mich für blöd?« Der Hexer lachte. »Schriftsteller haben es schwer, ihr Brot zu verdienen! Daß ich nicht lache! Wo sonst, wenn nicht bei euch Federfuchsern, findet man so viele antike Möbel, Schmuck und andere Kostbarkeiten. Schau mal, wie die da drüben behängt ist. Garantiert eine Schriftstellersgattin!«
Bei weitem nicht alle Damen im Restaurant waren Schriftstellerfrauen oder schrieben selbst. Aber bei der mit Brillanten Behängten hatte der Hexer recht. Es war die blutjunge Witwe eines gerade im Alter von 80 Jahren verstorbenen Dichters, was Bubenzow ihm sofort mitteilte.
»Eine sehr interessante Frau«, murmelte der nachdenklich vor sich hin. »Bist du nicht zufällig mit ihr bekannt?«
Bubenzow nickte eifrig.
»Laß dich doch mal von ihr einladen und tröste die junge Witwe. Danach reden wir beide darüber, wie schwer der Schriftsteller sein Brot verdient.«
Bubenzow begriff sofort und erschrak ein wenig. Aber dann überlegte er kurz und fand, daß man nichts Schlimmesvon ihm erwartete. Was war schon dabei, wenn er eine untröstliche Witwe ein paarmal besuchte und dann mit einem Freund darüber sprach? Schließlich hatte auch diese dreißigjährige Edelnutte weder das Landhaus im Schriftstellerdorf Peredelkino noch die Vierzimmerwohnung voller Antiquitäten und teurer alter Bilder mit eigener Hände Arbeit erworben! Sie hatte den Poeten, der vorwiegend Jugendlieder textete, geheiratet, als er bereits über siebzig war. Kinder hatte er keine mehr zeugen können, so daß das ganze Erbe ihr zufiel. War das etwa gerecht?
Aus einer flüchtigen Bekanntschaft mit einer Dame ein zärtliches Verhältnis werden zu lassen war für Bubenzow kein Problem. Zwei Wochen später war die Wohnung des verblichenen Poeten ausgeräumt – restlos, ohne Aufsehen und sehr
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