Lenas Mondnächte (German Edition)
wusste ich – du hast sie getroffen. Jeden Monat, immer wenn Vollmond ist … und so habe ich eben auch bemerkt, dass keine von ihnen nachher jemals wieder in der ‚Seligkeit’ aufgetaucht ist …“
„Wie kommt es nur, dass ich mich jetzt so überwacht vorkomme?“ grollte er.
Sie zuckte zusammen und fröstelte plötzlich. Wusste, jetzt hatte sie ihn wirklich verletzt. Und vielleicht sogar enttäuscht. Wütend war er auf alle Fälle.
Da das Kind jetzt aber schon in den Brunnen gefallen war, beschloss sie kurzerhand, sich noch etwas weiter aus dem Fenster zu lehnen.
„Tomm – bitte! Rede doch mit mir! Ich möchte mehr darüber erfahren. Ich möchte wissen, ob ich dir das geben kann, was du suchst – denn ich möchte dich unbedingt kennenlernen!“
Auf einmal, als sie schon gar nicht mehr damit rechnete, kam doch noch eine Reaktion von ihm.
„Du dumme kleine Nutte du! Was weißt du denn von dem, was ich brauche? Oder mit meinen Frauen mache?“ Wieder zuckte sie bei der höhnisch ausgesprochenen Mehrzahl ‚meine Freuen’ verletzt zusammen – in dem Wissen, genau das hatte er auch beabsichtigt. „Schlagen – ich schlage sie nicht nur! Ich quäle sie! Ich bringe sie zum Schreien! Ich lasse sie bluten!“ Und dann schrie er plötzlich: „Ich vernichte sie – und ich werde auch dich vernichten! Also bleib mir bloß vom Leib!“
Es knackste laut, als er die Verbindung unterbrach – so unvermittelt, dass sie deswegen fast ihr eigenes Schnurloses hätte fallen lassen. Zittrig rang sie nach Atem. Sie hatte versagt. Sie hatte alles falsch gemacht. Statt ihn für sich zu gewinnen, hatte sie ihn ganz offensichtlich verjagt. Jetzt wollte er nichts mehr mit ihr zu tun haben …
Mutlos verkroch sich Lena in ihr Bett. Und versuchte, sich mit der Situation abzufinden.
Sie hatte gekämpft. Nun, es zumindest versucht. Und sie hatte keinen Erfolg damit gehabt!
In jener Nacht hatte Lena einen seltsamen Traum. Einen, der sie verwirrte und den sie einfach nicht deuten konnte.
Sie hatte geträumt, aus einem Traum aufzuwachen – einem Traum von Tomm, so wie jede Nacht. Als sie wach wurde, war sie aber nicht alleine gewesen. Jemand stand an ihrem Bett und schaute nachdenklich auf sie hinunter. Tomm! Doch der Tomm dieses Traumes sah so ganz anders aus wie der Tomm, von dem sie sonst immer träumte und wie sie ihn sich insgeheim immer vorgestellt hatte …
Bisher war ihr „Traum-Tomm“ ein sehr gepflegter Mann gewesen. Groß, schlank – Typ Akademiker eben. Blonde kurze Haare mit exaktem Scheitel, funkelnde kluge blaue Augen. Und sah sie ihn exquisit angezogen vor sich – vorzugsweise im dunklen Anzug mit passender Krawatte.
Der Tomm, der diese Nacht im Traum an ihrem Bett stand, hatte mit ihrer bisherigen Vorstellung überhaupt nichts gemein. Er war viel größer, an die zwei Meter und breit wie ein Schrank. Nichts zu sehen von akademisch gepflegtem Stil. Er trug derbes Wildleder und ein bis zum Nabel aufgeknöpftes Hemd, das die breite, stark behaarte Brust freiließ. Er war tiefdunkel gebräunt und hatte zottelig wirkende, schwarze Haare – die ihm lang bis über die Schultern fielen. Die Augen funkelten nicht in nordischem Blau, sondern fast gelb und wirkten wie Bernstein, der von innen beleuchtet wurde.
Er hatte etwas Animalisches an sich. Etwas, das ungleich gefährlicher wirkte als alles, was sie bisher je getroffen hatte, und das ließ sie erschaudern. Und bewirkte, dass sie wie erstarrt in ihrem Bett lag und nicht vermochte, sich zu bewegen.
Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie die dunkle Gestalt an, die gefährlich massig über ihr aufragte – und erst als ihr das Blut in den Ohren rauschte, wurde ihr bewusst dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.
Aber was konnte ihr schon groß passieren? Immerhin war das ein Traum. Ihr Traum!
Sie fing sich, konzentrierte sich nur noch auf ihn – und streckte ihm dann die Hand entgegen. Bittend. Eine rührend hilflose Geste, voller Sehnsucht und Verlangen nach ihm.
Bitte stoße mich nicht wieder zurück! Sie hoffte, er verstand die stumme Botschaft.
In diesen lodernden Seen aus flüssigem Bernstein blitzte es auf. Mörderisch, fast hasserfüllt. Und dann stürzte er sich auf sie, mit einem grollenden Knurren, das sich anhörte wie das Gebrüll eines Raubtieres, welches gerade ihr Opfer erlegte.
Er kam über sie mit der Gewalt eines Orkans und der Wut eines gereizten Tigers. Sekunden später lagen die Überreste ihres zerfetzten weißen
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