Lenas Tagebuch
er spricht, kommt alles, was er sagen will, wie aus der Pistole geschossen.
Ich mag seinen dreisten, schnellen, durchdringenden Blick und seine vollen Lippen nicht. Dieser Sorka brachte dann irgendwann aus der Stadt sein Koffergrammofon mit und spielte den ganzen Abend lang eine Schallplatte nach der anderen. Als Jazzliebhaber war er hin und her gerissen von all diesen Sängerinnen, von all diesen Klawdija Schulschenkos und Edit Utjossowas 31 . Er liebt es, sich vor den Mädchen aufzuführen, und stößt sie mit seiner Dreistigkeit ab.
Sie kämpften erbittert miteinander. Weder der eine noch der andere gab nach. Sie rollten sich schon lange auf dem Boden hin und her, wälzten sich von einer Seite auf die andere. Als Sieger ging Schenka hervor.
Übrigens, Schenka. Ein gewöhnlicher Junge. Nichts Besonderes. Ein ziemlich angenehmes Gesicht. Eine Stupsnase. Fröhlich, flink. Spielte sich gern vor den Mädchen auf, tanzte ausgezeichnet, nach dem Tanzen machte er einen Kratzfuß, blies gekonnt Rauchkringel in die Luft. Trug eine blaue Kappe.
Nun fingen alle an zu schreien, Radau zu machen. Später gab Schenka Sorka die Hand, half ihm hoch. Andrei rollte in dieser Zeit von irgendwoher einen alten Reifen heran. Die Jungs spielten nun Fußball. Andrei war Torwart. Der andere Torwart war Sorka. Andrei lief hinkend zur Seite, zog seine Hose aus, und ich sah, dass sein linkes Bein verbunden war.
Andrei stellte sich neben den Reifen und rief mit seiner hellen Stimme: »Hej! Was macht ihr da? Der Torwart macht sich Sorgen«, und begann, einen nervösen Torwart nachzuahmen, das konnte er richtig gut. Er spreizte die Beine, krümmte sich und sprang hin und her, wobei er den Kopf nach vorne streckte.
Das Spiel begann. Sorka erwies sich als ein schlechter Torwart, er hielt keinen einzigen Ball. Dafür war Andrjuscha richtig gut. Er hat keinen einzigen Ball durchgelassen. Klein, flink, rollte er sich unter die Füße der Spieler, fing den Ball ab und jagte ihn vor sich her, während er sich jedes Mal flink zur Seite wand, wenn jemand ihm ein Bein stellte. Aber geflucht hat er auch ganz schön. Mit seiner hellen Stimme stieß er am häufigsten Flüche hervor. Ich hatte das Zuschauen satt und ging.
Am Abend desselben Tages holte ich Milch. Und da laufe ich mit einer Milchflasche in der Hand zurück, und mir kommen zwei entgegen, die sich miteinander unterhalten. Ich machte einen Schritt zur Seite, um sie vorbeizulassen, schaute genau hin, und wer war es? Andrjuscha Hand in Hand mit Walja Korobkowa. Er war elegant gekleidet, hatte die Hose nicht in die Stiefel gesteckt und trug eine schöne Wollstrickjacke. Walja mit einer neuen weißen Mütze, über den Schultern Andrjuschas Mantel. Sie sind gleich groß, sie laufen nebeneinander, Andrei erzählt ihr gemächlich etwas. Er ist so ruhig, still. Kaum zu glauben, dass es derselbe Andrei ist, der noch vor Kurzem einen Fußball vor sich her gekickt und geflucht hat wie sonst was. Der Neid stach mich wie mit einer scharfen Nadel, ich blickte den zwei Figuren, die sich gerade entfernten, noch einmal nach und schlenderte nach Hause. Als ich mich der Schule näherte, war es schon ganz dunkel. Aber es war noch nicht zehn. Walja und Andrei kamen nach elf zurück. Als fast alle schon schliefen. Erst kam mir das alles komisch vor. Und dann habe ich mich daran gewöhnt. Walja und Andrei gingen danach jeden Abend spazieren. Und manchmal kamen sie sehr spät zurück. Ich hörte auf, sie zu beneiden. Sie sind ja beide 18, und ich bin erst 16. Meine Zeit wird noch kommen, ich werde noch genug spazieren gehen.
Obwohl jetzt zum Beispiel Soja, sie ist erst 16, und die geht auch schon mit Jungs spazieren und küsst sie.
Das ist doch das, was man will in meinem Alter, so spazieren zu gehen, dass die gleichaltrigen Mädels neidisch werden.
Ach, was soll das.
Als wir noch kein Grammofon hatten, haben die Jungs für uns jeden Abend Konzerte mit ihrem eigenen Jazz veranstaltet. Sie haben alle ziemlich gut und harmonisch mit ihren Bassstimmen gesungen, nur Andrjuscha tat sich mit seiner hohen, weichen Stimme unter allen hervor. Die Musik haben sie mit den Stimmen gemacht, gejault, mit der Zunge geschnalzt, wie Hähne geschrien, und das haben sie richtig gut gemacht. Ihre Lieblingslieder waren »Tanjuscha« und »Im Kaukasus gibt es einen Berg«. Hier sind sie:
In die schöne Tamara hat sich Karapet verliebt,
Doch die Schöne sich mit ihm nicht abgibt.
(Weiter singt Andrei ziemlich ähnlich, wie
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