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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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Strom, deshalb schreibe ich diese Notizen bei elektrischem Licht, aber dafür gibt es kein Wasser.
    Heute hatten wir eine köstliche Suppe mit Fleisch und Nudeln. Das Katzenfleisch reicht noch für zwei Mal. Und für drei Mal das amerikanische, was dann kommt, wissen wir nicht. Es wäre gut, irgendwo noch eine Katze aufzutreiben, dann hätten wir wieder genug für lange Zeit. Wirklich, ich hätte nie gedacht, dass Katzenfleisch so schmackhaft und zart wäre.
    Was die Schule angeht, so läuft es, man kann sagen, beschissen. Geometrie habe ich vernachlässigt, in der Algebraarbeit habe ich eine Fünf. Zeichnen habe ich vernachlässigt. In Chemie habe ich eine Absage. Na ja, das ist dasselbe wie eine Sechs. Nur in Deutsch habe ich eine Zwei, und auch in Geschichte. Am Samstag werde ich in Geschichte einen Vortrag über die Seeschlacht von Hanko 59 halten und vielleicht in Geschichte eine Eins bekommen. Im Literaturaufsatz habe ich eine Fünf. Unmengen Grammatikfehler, und der Aufsatz selbst ist auch nicht toll. Morgen kann ich ihn noch einmal schreiben. Ich denke, ich sollte mein Glück versuchen. Vielleicht schreibe ich eine Zwei. Aber auch wenn ich ihn nicht noch einmal schreibe, bekomme ich als Quartalsnote keine Fünf, im Moment habe ich eine Zwei. Es hat mich sehr geärgert, dass die Lehrerin zu mir sagte, sie habe sich in mir geirrt, mich für besser gehalten, als ich wirklich bin. Ich sei eines der antisowjetischsten Mädchen. Nein, da hat sie nicht recht, ich bin von ganzem Herzen Sowjetschülerin, nur in der Praxis kann man das tatsächlich nicht von mir behaupten, weil ich mich gerade sehr gehen lasse, ich bin zu faul, meine Kräfte zu sammeln, ich denke zu viel über mich nach. Denn bald ist ja das erste Quartal zu Ende, und ich lerne die Lektionen überhaupt nicht, vernachlässige schrecklich den Stoff, und das bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Mit meinen Misserfolgen betrübe ich Mama sehr. Natürlich kann man sich darauf berufen, dass es gerade sehr schwierig ist zu lernen. Aber das bestreitet auch niemand. Gerade damit könnte ich meinen Patriotismus zeigen, dass ich mich, ungeachtet aller Schwierigkeiten, allem zum Trotz, mit ganzer Kraft bemüht habe, eine gute Schülerin zu sein.
    Aber was ist das Resultat? Meine Worte, meine Träume davon, dass ich würdig bin, eine Sowjetbürgerin genannt zu werden, das ist alles leeres Gewäsch. Schon die ersten Prüfungen auf meinem Weg haben mich gebrochen, in die Knie gezwungen. Ich habe aufgegeben. Ich bin ein Waschlappen. Die Schwierigkeiten haben mir Angst eingejagt. Ich hülle mich in hundert Schichten Kleidung ein und tue nichts, esse vergeblich Brot und meckere nur: »Es ist kalt, es ist kalt.«
    Ja, es ist kalt. Aber ist die Kälte etwa etwas, was man nicht überwinden kann? Nein, die Kälte kann man überwinden.
    19/XII
    Zehn vor neun. Um neun Uhr sollen wir das Licht ausmachen. Nach den neuen Regeln darf eine 15-Watt-Birne nur drei Stunden am Tag brennen. Morgen halte ich einen Vortrag in Geschichte und werde in Chemie mündlich geprüft, das letzte Mal hatte ich abgelehnt. Er hat mir eine Fünf gegeben. Wir müssen Silizium und Kohlenstoff können. Vor Geschichte habe ich große Angst. Ich habe noch nie einen Vortrag gehalten, das mache ich zum ersten Mal. Was ist, wenn ich vorn stehe und plötzlich alles vergessen habe? Heute habe ich zum zweiten Mal den Literaturaufsatz zum Thema »Manilowschtschina« 60 geschrieben.
    Heute haben wir in der Kantine nur eine leere Suppe bekommen. Das ist schon ein komischer Typ, dieser Adamowitsch.
    22/XII
    Heute ist Tauwetter. Draußen ist es ganz warm. Der Schnee ist geschmolzen, und es ist so glatt, dass man kaum gehen kann. Aber es ist ein Glück, ein großes Glück, dass es nicht kalt ist. Hungrig sein kann man noch aushalten, aber hungrig und kalt, das ist ganz und gar unerträglich.
    Heute Morgen hatte ich einen solchen Hunger, dass ich Aka bat, auch mir Brot mitzubringen. Bald kam Mama zurück und kochte Brühe aus Haut. Dann kam Aka und brachte Brot. Ich trank zwei Tassen heiße Brühe und aß mehr als die Hälfte von dem Brot. Ich fühlte mich so unglücklich, es schien keinen Menschen auf der ganzen Welt zu geben, der unglücklicher war als ich. Denn ich habe zwei Tage nichts für die Schule getan. Ich war entsetzt, fügte mich aber schließlich in mein Schicksal, wieder Fünfen zu bekommen. Aber ich hatte Glück, verdammt viel Glück. Die erste Stunde war Physik, und ich wurde als Erste gefragt und auch

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