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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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noch das Allerleichteste: über den Schall. Ich habe, scheint’s, eine Zwei bekommen. In Geometrie hat er etwas Neues erklärt. Die nächste Stunde war Chemie, und ich wurde wieder aufgerufen.
    »Muchina, erzählen Sie uns etwas über das ­Silizium: die Reaktionen zur Gewinnung von Silizium und Silizium­oxid.«
    Lange stand ich an der Tafel. Es war mir ganz egal. Ich wusste, dass ich eine Fünf bekommen werde. Schließlich drehte er sich zu mir um. Und da hatte ich gerade beide Reaktionen hingeschrieben, ich hatte nachgedacht und nachgedacht und mich schließlich erinnert. Es war nämlich so, dass ich Silizium gründlich zur letzten Stunde gelernt hatte, aber da hatte er mich nicht gefragt, er hatte andere Sachen erklärt, und ich hatte mich noch geärgert, dass ich umsonst gelernt hatte. Aber es war nicht umsonst. Hätte ich das Thema letztes Mal nicht gelernt, so wäre ich jetzt auf einer Fünf sitzen geblieben.
    Ohne Eile, ganz gleichgültig erzählte ich ihm alles, was ich wusste. Und er hat mich gar nicht mehr gefragt, hat mich auf meinen Platz geschickt und mir anscheinend eine Zwei eingetragen.
    In Chemie gab es ein Diktat. Eine Fünf wird das nicht. Das Diktat war einfach.
    In Geografie schrieben wir eine Klassenarbeit. Ich kam gerade aus der Kantine, wo ich Fladenbrot gekauft hatte, und er kam sofort und teilte die Prü­fungs­auf­gaben aus. Ich hatte gehofft, ich könnte mir die Notizen im Heft noch einmal ansehen, aber ich kam nicht mehr dazu. Ich bekam die Aufgaben Nr. 1:
Die Bevölkerung Englands.
Die Region Südwales.
Die britischen Besitzungen in Westafrika.
    Und wieder hatte ich Glück. Es waren so leichte Aufgaben. Ich wusste fast alles. Nun ja, einiges habe ich verwechselt, aber trotzdem hatte ich Glück, und auch hier bin ich um die Fünf herumgekommen.
    Nach der fünften Stunde eilten wir zum Essen. Wir bekamen Nudelsuppe mit Filet. In meiner Suppe waren drei Stückchen Kartoffeln und acht mittelgroße Nudeln. Außerdem kaufte ich mir noch eine Portion Fladenbrot. Insgesamt kaufte ich vier Portionen Fladenbrot.
    Satt und zufrieden verließ ich die Schule. Draußen war es ganz warm. Auf dem Sagorodny-Prospekt standen Straßenbahnen. In der Mitte der Straßenbahngleise 61
    25/XII
    Was für ein Glück, was für ein Glück! Ich möchte aus vollem Halse schreien. O Gott, welch Glück!
    Die Brotration wurde erhöht! Und auch noch wie. Was für ein Unterschied. 125 g und 200 g. Angestellte und Angehörige 200 g, Arbeiter 350 g.
    Nein, das ist einfach unsere Rettung, denn in den letzten Tagen sind wir so schwach geworden, dass wir uns kaum auf den Beinen halten konnten. Aber jetzt, jetzt werden sowohl Mama wie Aka überleben. Ist das ein Glück, und auch, dass das der Anfang der beginnenden Verbesserung ist. Ab jetzt wird die Lage besser werden.
    Neujahr werden wir fröhlich feiern. Mit Brot, mit Konfekt, mit Schokolade, mit Wein.
    Hurra, hurra und noch mal hurra. Es lebe das Leben!
    27/XII
    Noch immer kann ich meine Finger kaum bewegen, obwohl ich schon lange nach Hause gekommen bin. Ich bin aus dem Theater gekommen. Heute war ich wieder im Theater. Ich habe »Ein Adelsnest« 62 in der Inszenierung des Dramentheaters 63 gesehen. Das tat mir sehr gut, ich würde jeden Tag ins Theater gehen, aber ich werde trotzdem in diesem Winter nicht noch einmal ins Theater gehen. Denn das Vergnügen ist so gering, verglichen mit der Qual, die die Rückkehr nach Hause bedeu­tet. Ich werde das alles noch ­genauer ­erklären.
    Heute Morgen ging Mama um sechs Uhr früh Brot holen und brachte sehr gutes Brot mit. Weil es trocken war und wenig Presskuchen enthielt, sah das 200-g-Stück ordentlich aus. Das Brot war sehr lecker. Ich aß gleich morgens die ganzen 200 g auf. Im Radio kamen gute Nachrichten. Unsere Truppen haben ihren Angriff fortgesetzt und die Städte Beljow und Naro-­Fominsk erobert.
    28/XII
    Gestern kam zum ersten Mal seit Langem wieder die Sendung »Theater am Mikrofon«.
    Jetzt ist es ungefähr zwölf Uhr Mittag. Gerade wurde das Wasser angestellt, sodass wir Vorräte sammeln konnten. In letzter Zeit gibt es selten Wasser, wir müssen es abpassen. In unserem Zimmer ist es sehr kalt. Mama ist ins Theater arbeiten gegangen, und Aka schläft.
    Aka geht es sehr schlecht. Mama hat Angst, dass sie nicht überlebt. Aka steht gar nicht mehr aus dem Bett auf. Vorgestern, als sie morgens Brot holen war, gerade an dem Tag, als die Ration erhöht wurde, ist sie dreimal gestürzt, auf den Rücken, auf die

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