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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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heiß und lecker, es fehlte nur etwas Salz. Morgen bekommen wir Gelee, es wird jeden zweiten Tag ausgegeben.
    Im Radio wurde heute gemeldet, dass die Unsrigen Klin und Krasnaja Poljana eingenommen haben. In Literatur haben wir unsere Aufsätze zurückbekommen, meiner ist schlecht, Tamara hat als Einzige die Note sehr gut. Ihr Aufsatz wurde dann als bester laut vorgelesen. Tatsächlich, ein wunderschöner Aufsatz, er hört sich gar nicht nach Tamara an.
    Ich kam von der Schule nach Hause. Aka bat mich, nach Fleisch anzustehen. Ich stand bis Viertel vor fünf in der Schlange, und zwar vergebens, das Fleisch hat nicht gereicht.
    17/XII
    Es ist schon der 17. Dezember. Heute haben wir gute Neuigkeiten erfahren. An der Westfront haben unsere Truppen, die Verfolgung des sich zurückziehenden Feindes fortsetzend, Kalinin und noch drei kleine Städte eingenommen. Bei Moskau ist eine der Armeen Hitlers fast vollständig vernichtet worden: etwa sechs Infanterie- und drei motorisierte Schützendivisionen, ihre Reste ziehen sich eilig zurück, dabei rauben sie alles, was ihnen in die Hände fällt. Sie ziehen die Leute direkt auf der Straße aus, nehmen ihnen alles ab, sogar Tannenbaumschmuck. Die Partisanen fügen ihnen eine Niederlage nach der anderen zu.
    Und so steht Mitte Dezember 1941 der Krieg zwischen Deutschland und der UdSSR an einem Wendepunkt. Nach sechsmonatigem Vormarsch der Deutschen hat ihr Rückzug begonnen, der … noch ist nicht klar, wie lange er dauern wird.
    Das Leben ist jetzt sehr hart. Auch zur Schule zu gehen ist hart. Aber schlimmer wird es schon nicht mehr werden, wenn sich etwas ändern wird, dann nur zum Besseren.
    Wir haben es jetzt sehr schwer. Ein grimmiger Winter hat begonnen. Draußen friert es. Im Haus ist es kalt, denn wir müssen mit Feuerholz sehr sparsam sein, und den Ofen heizen wir nur, um Essen zu kochen; es ist dunkel, die Fenster sind bei den meisten Leuten verrammelt, und wenn sie nicht verrammelt sind, dann verhängt, damit es wärmer ist. Einige, vor allem die, die in den oberen Stockwerken leben, haben außerdem auch kein Wasser. Sie müssen Wasser holen. Die Straßenbahnen fahren sehr schlecht, weil es oft schneit, was das Schneeräumen auf den Straßen erschwert. Heute fahren sie, morgen nicht. Dabei benutzten die meisten Leute die Straßenbahn, um zur Arbeit zu fahren. Jetzt gehen sie alle, halb verhungert, halb erfroren, zu Fuß zur Arbeit und wieder nach Hause. Sie gehen, sie stürzen, sie schleppen sich voran, sie schlurfen dahin, aber sie gehen. Und einige gehen sehr weit: die einen auf die Petrograder, die anderen auf die Wyborger Seite. Gut, dass es schon lange keine Fliegeralarme mehr gab. Und Artilleriebeschuss ist nur von kurzer Dauer. Brot gibt es wenig: Arbeiter bekommen 250 g, Angestellte und Angehörige 125 g. 125 g, ein kleines Stückchen, das ist sehr wenig. Alle anderen Lebensmittel, die einem auf Marken zustehen, kann man nur ergattern, wenn man sich dafür anstellt. Aber in der Warteschlange zu stehen ist jetzt eine Quälerei: Füße und Hände frieren sehr, obwohl eigentlich kein so schlimmer Frost herrscht.
    Das Lernen in der Schule ist schwer. Die Schule wird nicht geheizt, in einigen Klassenräumen ist die Tinte eingefroren, da ist es noch gut, dass wir Schüler jeder einen Teller heiße Suppe ohne Marken bekommen.
    Aber das macht alles nichts. Bald wird es besser. Das ist nur eine Frage der Zeit.
    18. Dezember
    Die Unsrigen haben noch zwei weitere Städte im Frontabschnitt Kalinin eingenommen, genauer gesagt, zurück­erobert. Auch an der Leningrader Front haben die Unsrigen den Feind zurückgedrängt, sodass die Straße von Tichwin zum Wolchow ganz von Deutschen befreit ist. Heute haben wir in der Schule kein Gelee bekommen, sondern Sauermilch aus Sojamilch, einen Viertelliter. Sie ist sehr lecker, ich habe sie nach Hause mitgenommen und mit Mama und Aka geteilt. Ihnen hat sie auch sehr geschmeckt. Heute hat Aka nach Fleisch angestanden und hervorragendes amerikanisches Pressfleisch bekommen; es ist fett, ohne Knochen. Mama ist schon den zweiten Tag nicht zur Arbeit gegangen. Sie hat keine Kraft, und außerdem werden sie alle sowieso bald entlassen, d. h. das dortige Lazarett wird geschlossen. Die Verwundeten sind schon auf andere Lazarette verteilt worden. Mama wird wieder ohne Arbeit sein. Keiner weiß, wo sie eine neue Arbeit finden wird.
    Morgen ist schon der 19., aber wir haben noch immer weder Konfekt noch Fett bekommen.
    Heute kam um sieben der

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