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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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Nase, ausgerechnet auf die Nase, sie hat sich die Nase gebrochen, und seitdem geht es ihr immer schlechter. Jetzt werde ich den Haushalt machen müssen, und Mama wird ­arbeiten.
    Ehrlich gesagt, wenn Aka stirbt, wird das sowohl für sie besser sein als auch für Mama und mich. Im Moment müssen wir alles durch drei teilen, aber dann werden wir alles nur noch durch zwei teilen. Aka ist nur ein überflüssiger Esser. Ich weiß selbst nicht, wie ich diese Zeilen schreiben kann. Aber mein Herz ist jetzt wie aus Stein. Ich habe keine Angst. Ob Aka stirbt oder nicht, ist mir egal. Aber wenn sie stirbt, sollte es nach dem 1. geschehen, dann bekommen wir noch ihre Lebens­mittel­karte. Wie herzlos ich bin.
    30. Dezember
    Morgen ist ist der Tag des Neujahrsfestes, aber nichts erinnert daran 64 . In den Geschäften gibt es nichts, nur auf Kindermarken erhält man Maismehl und Zucker. Dabei war angekündigt worden, dass es zum Feiertag zusätzlich Schokolade und noch etwas geben würde. Aber bisher gibt es nichts. Vielleicht gibt es morgen etwas.
    Heute esse ich kein Brot. Dafür werde ich morgen Neujahr mit 200 g Brot feiern. Wirklich Pech haben wir diesmal mit Schokoladenkonfekt. Gestern gab es bei Mama im Theater gutes Konfekt für 22 Rubel das Kilo. Und wir hätten 800 g bekommen können, aber wir bekamen nur 300 g, weil ich am Tag zuvor im Haus Nr. 28 für neun Rubel ein Kilo Konfektmasse gekauft hatte. Das ist so ein Surrogat, wer weiß, woraus das gemacht ist. Mit einem Wort: Kitt, mit dem man eigentlich nur Fenster ver­kitten kann. Es schmeckt überhaupt nicht süß, aber man kann es essen, vor allem wenn man hungrig ist.
    Aka ist schon den fünften Tag bettlägerig, aber jetzt geht es ihr besser. Mama kann erstaunlich schnell das Mittagessen zubereiten. Ich beschaffe das Holz, und sie kocht in einer halben Stunde ein sehr wohlschmeckendes Mittagessen. Schon drei Tage, dass wir zum Mittagessen zwei Teller Suppe pro Person haben. Und was für eine leckere Suppe, und danach noch jeder eine Tasse Kakao.
    Heute hat Mama drei Teller Hefesuppe und zwei Gläser Kakao mitgebracht. Aber ich habe wenig mitgebracht, nur den Bodensatz meiner Suppe und eine Frikadelle. Heute ist die Suppe sehr dünn. Es ist Graupensuppe mit nur ganz wenigen Gerstengraupen darin. Heute bekamen wir Fruchtgelee, aber keine Press­kuchen­fladen.
    Morgen ist der letzte Schultag, dann sind bis zum 7. Ferien. Am 7. muss ich wieder in die Schule. Am 6. aber wird es ein Jolkafest 65 geben. In der Kleinen Oper wird eine Neujahrsfeier für die Schüler der höheren Klassen aus unserem Bezirk abgehalten werden. Es wird ein Theaterstück gespielt werden, eine Tanzveranstaltung wird stattfinden und ein Essen im Wert von fünf Rubeln geboten werden. Ich bin gespannt, womit sie uns bewirten werden. Ja, morgen ist Neujahr. Wie werden wir es feiern?
    Es heißt, die neuen Lebensmittelkarten werden nicht anders als die alten sein. Es stehe drauf, dass Angestellte und ihre Angehörigen je 125 g Brot bekommen, tatsächlich aber nicht 125 g, sondern 200 ausgeteilt würden. Und man erzählt, es werde noch etwas mehr geben. Aber es wird viel erzählt. Und glauben darf man es nicht. Wie sehr ich essen möchte. Und nicht nur essen, sondern noch etwas anderes möchte ich. Ich weiß selbst nicht genau, was. Ich sehne mich nach etwas Schönem und Fröhlichem. Ich möchte ein glänzendes Jolkafest erleben.

    5 Geroi naschegi wremeni , Roman (1840) von Michail Lermontow (1814–1841).
    6 Protagonist von Lermontows Ein Held unserer Zeit .
    7 Unleserliches Wort.
    8 Text bricht ab.
    9 Eine sowjetische Kommunalwohnung wurde von mehreren Fami­lien bewohnt.
    10 Eugen Leviné (1883–1919), deutscher Revolutionär russischer Herkunft.
    11 Gemeint ist: Gefechtsbereitschaft.
    12 Rudin (1856), Roman von Iwan Turgenjew (1818–1883).
    13 Übersetzung von Herbert Wotte, Peter Hammer Verlag 1969.
    14 Molotow (eigtl. Wjatscheslaw Skrjabin; 1890–1986) gehörte unter Josef Stalin (1879–1953) zum inneren Führungskreis der KPdSU.
    15 Text bricht ab.
    16 Die vorangehenden Sätze sind offensichtlich eine Paraphrase der britischen Erklä­rung.
    17 Für die »innere Verteidigung« war die Stadt in Sektoren mit eigenen Kommandeuren und Stäben eingeteilt.
    18 Wohn- und Mietgenossenschaft, in deren Besitz sich das Wohnhaus befand. Die Bewohner waren Mitglieder der Genossenschaft. Diese Genossenschaften waren bereits 1937 abgeschafft, die Häuser in die Verwaltung der lokalen Sowjets übergeben

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