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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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Press­kuchen­fladen gehören der Vergangenheit an. Eine Zeit lang gab es doch fast nichts anderes, Suppe aus Presskuchenfladen und als Hauptgericht Presskuchenfladen.
    Ja, in dieser Zeit ist vieles besser geworden. In den Bäckereien gibt es immer schmackhaftes Brot, aber den Leuten reicht das nicht. Alle nörgeln, beschweren sich, träumen schon wieder von Brötchen und Lebkuchen. Wahrscheinlich ist der Mensch einfach so geschaffen, da kann man nichts machen: Er kann nie genug kriegen. Gibt es kein Brot, träumen die Leute von Brot, hat der Mensch Brot, träumt er von Brötchen, kaum gibt es Brötchen, träumt er von Törtchen. Gibt es kein Fett, träumt er von Fett. Gibt man ihm zum Beispiel Baumwollöl, träumt er von Butter, bekommt er sie, so träumt er von Sahne und Quark. Mit Fleisch ist es genauso: Gibt es keins, träumt er von Pferdefleisch, gibt es Pferde­fleisch, möchte er Rindfleisch und Hammelfleisch haben, gibt es auch das, will er Schweinefleisch, Hähnchen oder Gans, und wenn es selbst das alles gibt, dann möchte er Birkhahn, Pute, Kaviar, gekochten Schinken und noch mehr haben. Da kann man nichts machen, so ist der Mensch nun einmal.
    1/III
    März. Es ist März, der erste Frühlingsmonat. Ja, März, April, Mai, und dann kommt auch der Sommer. Also, der Frühling kommt, aber draußen schneit es, es ist ein ganz gewöhnlicher grauer Winterhimmel, aber das macht nichts. Der März: Das ist schon der erste Frühlingsmonat.
    Die Brotration wurde noch nicht erhöht. Gestern habe ich 300 g Moosbeeren bekommen, und 200 g Brot habe ich gegen 200 g Moosbeeren getauscht. Ich finde, das lohnt sich, denn mit Brot bin ich täglich versorgt, aber Moosbeeren gibt es schließlich nicht jeden Tag. Gerade habe ich mich von Ida Issajewna verabschiedet. Sie fährt nach Taschkent 82 . Sie ist ein sehr guter Mensch. Mama und ich verdanken ihr viel. Gestern hat sie mir Stiefel geschenkt, die noch richtig gut sind, braune Leinenstiefel mit niedrigen Absätzen. Sie kommen mir gerade recht, ich werde sie im Frühling tragen.
    Möge es doch bald Frühling werden, möge dieser Krieg doch bald aufhören. Geduld, Lena, Geduld, alles hat seine Zeit. Ich bin glücklich, denn ich habe alles noch vor mir. So viele Freuden, Genuss und Ver­gnügen.
    Jetzt werde ich Brot holen. Schade, dass ich mit Streichhölzern sparsam sein muss. Ich habe noch vier Streichhölzer und habe keine Ahnung, wann es wieder welche geben wird 83 . Die Brotration wird wohl nicht vor dem 5. erhöht werden.
    Heute schmeckt das Brot sehr gut. Aus der Kantine habe ich eine Portion Hirsebrei mitgebracht. Jetzt ist alles anders. Es wird abgeschnitten 84 : für die Suppe 20 g Nährmittelmarken und 10 g Fett, für den Brei 400 g Nährmittelmarken und 10 g Fett, für ein Fleisch­gericht 50 g Fleisch und 10 g Fett. Dafür ist die Suppe so dick, dass der Löffel drin stehen bleibt. Und ein ganzes Schälchen Brei. Heute habe ich 225 g Fleisch gekauft.
    Also, heute habe ich mir ein sehr gutes Mittagessen gemacht. Brei mit Fastenöl 85 und Zucker, dann zwei Teller Nudelsuppe mit Fleisch und Zwiebeln. Gekochtes Fleisch, dann gebratenes Fleisch und ein paar Stückchen in Fastenöl gebratenes Brot und zum Nachtisch Moosbeerensaft mit Zucker. Was für ein Mittagessen! Während ich kochte, klopfte Walja an die Tür und gab mir eine Postkarte. Die Karte war an Mama adressiert und war von Tante Schenja. Schenja hat also mein Telegramm nicht erhalten. Sie schreibt, sie mache sich Sorgen, und fragt, ob wir am Leben und gesund seien, denn sie habe lange von Mama keine Antwort bekommen. Ich habe sofort eine Antwort geschrieben. Morgen schicke ich sie ab.
    5/III
    Bald ist Frauentag 86 . Draußen herrscht Frost, aber die Sonne scheint. Die Brotration ist noch immer nicht erhöht worden. Wenn ich darüber nachdenke, was wir schon durchgemacht haben, wird mir schwer ums Herz, und gleichzeitig bin ich froh, dass wir das Schlimmste schon hinter uns haben. Ich habe das überlebt und bin als Einzige von uns dreien am Leben geblieben. Wenn die Verbesserung der Lebensmittelversorgung noch einen halben Monat auf sich hätte warten lassen, dann wäre auch ich Aka und Mama in die Maratstraße 76 gefolgt. Maratstraße 76! Was für eine unheilvolle Adresse, wie viele Tausend Leningrader mussten sie kennenlernen. Ich habe überlebt und will weiter leben. Deshalb darf ich nicht hier bleiben. Ich muss es nach Gorki 87 zu Tante Schenja schaffen.
    Gestern Abend gab mir Raissa Pawlowna, meine

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