Lenas Tagebuch
aneinander, weinten beide.
»Mamotschka, liebe!«
»Leschenka, was sind wir zwei doch für Pechvögel!«
Dann legten wir uns schlafen, d. h. ich legte mich hin.
Nach einiger Zeit höre ich, wie Mama mich ruft: »Aljoscha, schläfst du?«
»Nein, was ist?«
»Weißt du, ich fühle mich gerade so wohl, so leicht, morgen wird es mir wahrscheinlich besser gehen. Ich habe mich noch nie so glücklich gefühlt wie jetzt gerade.«
»Mama, was redest du. Du machst mir Angst. Wieso geht es dir besser?«
»Ich weiß nicht. Na gut, schlaf schön.«
Und ich schlief ein. Ich wusste, dass Mama sterben würde, aber ich dachte, sie würde noch fünf bis sechs Tage am Leben bleiben. Ich hätte nie geglaubt, dass der Tod morgen kommen würde.
Ich schlief ein. Im Schlaf hörte ich, wie Mama mich wieder rief: »Lena, Leschenka, Aljoscha, schläfst du?« Es ist, als würden diese Worte jetzt in meinen Ohren klingen. Dann schwieg sie wieder. Und ich schlief wieder tief.
Als ich das nächste Mal erwachte, hörte ich Mama reden, aber sehr undeutlich, und ich rief sie: »Mama, he, Mama, was sagst du?«
Schweigen. Dann murmelte sie wieder etwas vor sich hin, antwortete mir aber nicht. »Wahrscheinlich fiebert sie«, dachte ich und schlief wieder ein.
Als ich wieder aufwachte, höre ich ein Schnarchen. Na endlich, denke ich, Mamotschka ist eingeschlafen, und ich schlief ganz beruhigt ein. Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen hatte, aber plötzlich wachte ich sehr beunruhigt auf. Ich spürte mit dem Herzen, dass etwas nicht stimmte. Mama schnarchte noch immer, aber das war nicht das Schnarchen eines Menschen, der ruhig schläft. Nein. Mama lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken und atmete schwer durch den Mund. In ihrem Hals gurgelte etwas. Ich stupste sie an, rief sie, sie öffnete die Augen und sah mich mit leerem Blick an. »Mama, Mama, hörst du mich?« Derselbe Blick, dann schloss sie erschöpft die Augen.
Mein Gott, sie sieht mich nicht, sie hört mich nicht, sie stirbt. Ihre Stirn ist kalt, die Hände und Beine kalt, ihr Puls schlug kaum. Ich rannte, um Hilfe zu holen. Die Nachbarn kamen. Sie heizten ein, erhitzten Flaschen. Heißen, süßen Kaffee, irgendwelche Vitamine. Aber alles war umsonst. Mama biss fest die Zähne zusammen. Als sie ihr den Kaffee mit Gewalt einflößten, schluckte sie ihn nicht hinunter. Es war sechs Uhr morgens. Die Nachbarn gingen wieder. Sie sagten, ich solle weiter versuchen, Mama den Kaffee einzuflößen. Und so saß ich die letzten Stunden an ihrem Bett. Sie kam nicht mehr zu Bewusstsein und starb still, sie entschwand irgendwie Ich bemerkte es nicht einmal, obwohl ich am Kopfende saß. An Erschöpfung sterben alle so.
6/III
Gegen drei Uhr ging ich auf die Post und schickte ein Telegramm an Schenja. Dann ging ich zum Kino »Molodjoschni«, aber heute gab es keine Eintrittskarten mehr. Dann ging ich ins Michailow-Theater und erfuhr, dass Kira schon vor ungefähr zwei Wochen evakuiert worden war. Von dort ging ich zu Galja. Ich hatte solche Angst, dass ich dort niemanden antreffen würde. Aber das war nicht der Fall.
Aliks Großvater machte mir auf. Er hatte rot geweinte Augen. Vor drei Tagen war seine Frau Julija Dmitrijewna gestorben. Dann kam Galja, sie ist sehr dünn geworden. Auch Kira kam. Gemeinsam mit Galja holte ich Alik aus dem Kindergarten ab.
Hier wurde ich wie eine Verwandte aufgenommen. Alle freuten sich, dass ich gekommen war. Galja drückte mich an sich und küsste mich. Das tat richtig gut!
Morgen werden wir Julija Dmitrijewna auf ihren letzten Weg bringen.
Galja und ihr Vater wollen unbedingt, dass ich zu ihnen ziehe. Sie versprechen mir, nach Kräften zu helfen. Und wenn sie evakuiert werden, werden sie mich als ihre Tochter mitnehmen. Das habe ich überhaupt nicht erwartet, dass sie mich so empfangen würden, dass ich auf solche Anteilnahme, solche Wärme bei ihnen stoßen würde. Das allgemeine Unglück bringt die Menschen einander näher. Aliks Großvater ist Naturliebhaber, er ist großartig, voller Güte. Ich blühte sofort auf. Ich bin nicht allein. Ich habe Freunde gefunden. Was für ein Glück. Was für ein Glück.
Wie leid es mir um Julija Dmitrijewna tut. Sie war wie ihr Mann ein sehr lieber, guter Mensch.
Galja befürchtet, dass auch ihr Papa das nicht überstehen wird, aber nein, das kann nicht sein. Ich glaube, dass wir das Schlimmste hinter uns haben, und wer bis jetzt überlebt hat, der wird auch weiterleben. Davon gehe ich aus.
Wie
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