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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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mich nicht losreißen konnte und weitere 15 Stück für je einen Rubel kaufte. Hätte ich jemandem von meiner Erwerbung erzählt, hätte man mich so ausgeschimpft, dass die Wände gewackelt hätten, und das zu Recht. Denn es ist eine unverzeihliche Dummheit, Geld in einer solchen Zeit für irgendwelche Ansichtskarten auszugeben. Aber mich machte das froh und zufrieden. Denn solche Ansichtskarten kannst du nirgends kaufen, sie sind alt, und noch dazu aus dem Ausland. So eine Gelegenheit kann man sich nicht entgehen lassen. Und welche Freude ist es, zu wissen, dass das deine eigenen Ansichtskarten sind. Für solche wundervollen Ansichtskarten ist mir mein Geld nicht zu schade. Ich habe schon 34 neue Ansichts­karten.
    Also habe ich 15 neue Ansichtskarten gekauft und die Kanne gegen 250 g Brot eingetauscht. Als ich nach Hause kam, hatte Galja schon eingeheizt. Das Fleisch konnte ich nicht mehr kochen, und so blieb ich ohne Mittagessen. Ich trank heißes Wasser und aß Brot dazu und legte mich schlafen. In dieser Nacht schlief ich sehr tief und hatte schöne Träume. Am häufigsten träumte ich von Grischa Chaunin, davon, dass wir befreundet seien und Achterbahn fahren. Die Achterbahn war irgendwie schrecklich und zugleich irreal. Beide hatten wir große Angst, aber schließlich nahm unsere Reise ein gutes Ende. Als ich am Morgen erwachte, hörte ich Galja im Nebenzimmer weinen und reden: »Papa, Papotschka, du schläfst doch, nicht wahr? Die wirst doch wieder aufwachen.« Ich begriff sofort. Ich lief zu Galja, schmiegte mich an sie und küsste sie vielmals.
    21. März
    Mein liebes Tagebüchlein, sei gegrüßt, wieder einmal wende ich mich an dich. Es geht mir gerade sehr gut, und im Überfluss angenehmer Gefühle schreibe ich diese Zeilen.
    Krieg und Hunger, sei’s drum. Das Leben geht seinen Gang. Alles, was wir durchmachen müssen, das alles ist nur vorübergehend. Nur den Kopf nicht hängen lassen.

    Mich plagen keine Sorgen,
    Der Teufel hol’ das Morgen. 93

    Sobald der Krieg aus ist, werde ich mein Zimmer gegen eins in Moskau tauschen. Man denke nur, ich werde in Schenjas Nähe wohnen und zugleich mein eigenes Zimmer haben, in dem ich mein eigener Herr sind werde. Alles in meinem Zimmer wird so sein, wie ich es will, nicht anders. Gemütlich und schön wird es in meinem Zimmerchen sein. Es wird wie eine große Um­welt­ecke 94 sein. Vor dem Fenster wird ein Tisch mit Aquarien stehen, mit einem richtigen Dickicht aus verschiedenen Algen und anderen Wasserpflanzen, in denen in bunten Schwärmen kleine Fischlein schwimmen werden. Abends werden die Aquarien von kleinen elektrischen Glühbirnen beleuchtet werden. Deshalb werden die Aquarien das Zimmer gemütlich machen, sowohl am Tage, wenn das Licht hindurchscheint, als auch abends bei geschlossenem Fenster. Auf dem gesamten übrigen freien Platz am Fenster und auf dem Tisch werden Topfpflanzen stehen. Hier werden verschiedene Zimmerpflanzen wachsen: Geranien, Lilien und viele andere. Und darüber werden Käfige mit meinen Lieblingen – Vögeln – hängen: Sowohl Gimpel als auch Zeisige, sowohl Birkenzeisige als auch Kanarienvögel und gewöhnliche Spatzen werden dort sein. Ich werde sie an mich gewöhnen, damit sie ganz handzahm werden. Einen besonderen Platz wird das Terrarium mit weißen Mäusen einnehmen, vielleicht auch nicht mit weißen, sondern mit gewöhnlichen grauen oder mit Feldmäusen. Und wahrscheinlich werden noch andere Tiere darin leben. Eine Katze oder einen Hund brauche ich gar nicht. Meine ganze Zuneigung, die ich für meine Mama und Aka empfand, werde ich meinen kleinen Mit­bewoh­nern schenken. Ihre Zuneigung soll mir die verlorene mütterliche Zärtlichkeit und Liebe ersetzen. Mein ganzes Herz werde ich ihnen schenken, und sie werden meine Zuneigung erwidern. Das weiß ich sicher. Sie sind sehr dankbar, diese kleinen Geschöpfe, und spüren sehr genau, wie man sich zu ihnen verhält.

    Es ist jetzt März. Frühling. Im Sonnenschein taut der Schnee, fröhlich zwitschern die Spatzen. In der Sonne ist es warm, es riecht nach warmer Erde, nach Dung. Es riecht nach Frühling. In den letzten Tagen ist der Himmel wolkenlos, es ist sonnig, aber noch immer ist Frost.
    Ich habe bei Galja den ersten Band von Franklins »Naturgeschichte« 95 gefunden. Das sind hervorragende Bücher. Also, ich werde sie lesen und Auszüge in mein Tagebuch schreiben. Ich möchte unbedingt irgendwo Zweige und Ruten auftreiben, um so schnell wie möglich das erste

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