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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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Evakopunkt aufzusuchen. Dort war es leer wie bisher. Von den ungefähr drei Frauen, die dort saßen, erfuhr Lena, dass es angeblich in vier bis fünf Tagen Neuigkeiten zur Evakuierung geben würde. »Das heißt, ich werde erst mal den Unterricht besuchen«, dachte Lena und ging zur Teestube. Sie rechnete nicht damit, die Teestube offen anzutreffen, sie wollte einfach nur etwas spazieren gehen. Aber die Teestube hatte geöffnet. Lena musste gar nicht lange warten und trank zwei Gläser sehr heißen Tee, einen mit Brot, den anderen mit Brötchen. Sie ging nach Hause, ließ den Rest Brötchen da und entschied, sich auf die Suche nach gutem Brot zu begeben. Sie klapperte alle ihr bekannten Bäckereien ab, aber wie um sie zu ärgern, gab es überall nur gute Brötchen und sehr schlechtes Brot. Lena ließ sich jedoch davon nicht die Laune verderben, sie genoss es, langsam auf der Sonnenseite die Straßen entlangzugehen, blinzelte in die Sonne und erfreute sich an der Wärme, dem Licht und dem Zwitschern der Spatzen.
    Es sei erwähnt, dass das Wetter heute ein ganz besonderes war, wie eigens für den Feiertag gemacht. Keine einzige Wolke am Himmel, überall schien die Sonne, es war so warm, dass es selbst im Schatten schwül zu sein schien, wenn da nicht der leichte, erfrischende Windhauch gewesen wäre. Die Straße schien von den zahlreichen roten Fahnen, die im Wind wehten, wie in Flammen zu stehen, und die Fahnen waren im Sonnenlicht noch farbenfroher und blendend rot. In den Parks wimmelte es heute von lauten, fröhlichen Kinderscharen.
    Der Mai, der herrliche Frühlingsmonat, hat begonnen. Am Tage setzte ziemlich heftiges Artilleriefeuer ein. Aber alle waren schon so daran gewöhnt, dass Lena ihm keine besondere Beachtung schenkte. Sie beschäftigte sich mit Sticken und hörte dabei im Radio das Feier­tags­konzert.
    2. Mai 42
    Gestern ging es gut, es gab den ganzen Tag keinen Alarm. Das ist natürlich das Verdienst unserer Stalin-Falken 118 .

    Heute stand Lena erst nach elf Uhr auf. Sie hatte sich noch nicht angezogen, da kamen schon zwei Mädchen von der Schakt zu ihr. Sie ließen ihre Blicke durch das Zimmer schweifen und tadelten Lena wegen der Unordnung. »Wenn die Hygienekommission kommt, wirst du Strafe zahlen müssen.« Lena ärgerte sich sehr und antwortete, die Kommission möge ihr gerne eine Strafe aufbrummen, sie habe doch kein Geld. Das junge Mädchen zuckte mit den Schultern und frage Lena, wie es mit der Wohnung aussehe. Als sie erfuhr, dass Lena für den April noch nicht bezahlt hatte, sagte sie, Lena müsse noch heute zahlen. Lena versprach es.
    Sie ging und zahlte für den April 17,40 Rubel 119 . Nun hatte sie noch fünf Rubel übrig.
    Dann ging Lena in die Kantine. Beim Schuhgeschäft traf sie Janja Jakubson. Sie hatten sich noch nicht einmal begrüßt, da kam schon Wera Wladimirowna zu ihnen, die Literaturlehrerin. Sie unterhielten sich. Janja, so stellte sich heraus, war die ganze Zeit hindurch weiter zur Schule gegangen und tat das auch jetzt. Wera Wladimirowna war sehr dünn geworden, hatte aber ihre Lebensfreude nicht verloren.
    Lena freute sich sehr über diese Begegnung. In der Kantine nahm sie eine Nudelsuppe und zwei Portionen Sojabällchen. Die Suppe erwies sich als dünn und nicht sehr lecker, dafür waren die Sojabällchen hervorragend. Lena überlegte, dass es doch am günstigsten sei, Sojabällchen zu nehmen. Es werden 20 g und 5 g Fett abgeschnitten, und man bekommt zwei große Frikadellen, rosig und ausgesprochen lecker. Von der Kantine ging sie in den kleinen Park und ruhte dort ein wenig aus. Dann ging sie Petroleum holen, sie erhielt einen halben Liter. Anschließend zählte Lena ihre Nährmittelmarken und entschied spontan, dass sie sich heute noch eine Portion Quarkküchlein leisten könne. Gesagt, getan. Lena eilte in die Kantine, aber die Quarkküchlein waren schon ausverkauft, Fleisch ebenfalls. Lena blieb eine Weile stehen, dachte nach und entschied sich dann für eine Portion Sojabrei. Dann ging sie in die Gorocho­wajastraße, um Brot zu kaufen. Überall gab es nur Brot für 1,10 Rubel. Lena wählte möglichst trockenes Brot aus. Sie kehrte nach Hause zurück, holte zweimal Wasser und ging dann zu Olja. Sie traf sie zu Hause im Bett an. Lena gratulierte ihr zur Lebensmittelkarte, und als Olja antwortete, sie habe heute Geburtstag, gratulierte sie ihr auch zum Geburtstag. Lena wollte mit Olja zusammen in den kleinen Park gehen, aber Olja hatte Tuberkulose in den Füßen,

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