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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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stecken geblieben. Danach fing es an zu schneien, so dicht, dass die ganze Straße sofort furchtbar nass, dreckig und matschig wurde. Langsam hatte die Straße geleert. Viele flüchteten sich nach Hause. Die Leute hatten sich ja für Frühlingswetter angezogen, die Frauen und Mädchen trugen leichte Mäntel, die Männer und Jungen Jacketts. Auch Lena trug einen Herbstmantel und keine Galoschen, aber sie lief nach Hause und zog ihren Pelzmantel und Galoschen an. Lena erinnerte sich, dass ihre Mama etwas nähte, als sie nach Hause kam, und Aka in der Küche runde Hefeküchlein mit Rosinen buk. Lena hatte es sehr eilig, aber Mama vermochte es, sie zu überreden, ein wenig zu warten, und so aß sie die ersten noch warmen Küchlein. Aka gab ihr ein paar Rosinen mit auf den Weg. Ja, was war das doch für eine gute Zeit. Und Lena wusste sie damals nicht richtig zu schätzen. Ihr schien ein solches Leben ganz gewöhnlich zu sein, und dass es gar nicht anders sein könne. Sie sah nichts Besonderes darin, dass sie Aka und Mama hatte und dass beide sie über alles liebten. »Alles für Aljonuschka«, so nannten sie Lena. Wer bekommt das beste Stück, wem wird zuerst aufgetan? Aljonuschka. Und Aljonuschka bemerkte das gar nicht.
    Und erst jetzt, wo sie sowohl Aka wie auch Mama verloren hat, weiß sie ihr ganzes vergangenes Leben wirklich zu schätzen. Sie würde nun alles geben, um diese Zeit wieder lebendig zu machen. Aber sie ist unwiederbringlich verloren, Aka und Mama wird sie nie mehr wiedersehen, es sei denn im Traum.
    Wenn es ihr nun gelingen sollte, sich zu Schenja durchzuschlagen, wird sie alles, was sie an ein Familienleben erinnert, als ihr höchstes Gut betrachten. Schon der Umstand, dass sie das Recht haben wird, sich mit Schenja und Serjoscha an einen Tisch zu setzen und mit ihnen gemeinsam zu essen, schon allein das wird ihr als ein großes Glück erscheinen.
    Ja, das Schicksal hatte ihr eine verdiente Lektion erteilt, wenn auch auf sehr strenge Weise. Und nun, wie sie darüber nachdachte, sagte Lena zu sich: »Das soll dir eine Lehre sein! Jeden Krümel wirst du ehren, von allem wirst du den Wert erkennen, und es wird leichter für dich sein, auf dieser Welt zu leben.«
    »Auch das Unglück hat sein Gutes«, sagt ein Sprichwort. Natürlich wird nach einer solchen »Schule des Lebens« für Lena in Zukunft das Leben leichter sein. Und nicht nur für sie. Das Leben nach dem Krieg wird für alle Sowjetbürger, die diese furchtbare Zeit durchgemacht haben, leicht, fröhlich und produktiv sein.

    Nach zehn Uhr ging Lena wieder zur Schakt und erhielt endlich ihre Karte. Von dort ging sie ins Geschäft und erhielt dort eine halben Liter Bier, ohne anstehen zu müssen. Nachdem sie das Bier nach Hause gebracht hatte, ging sie in die nächste Bäckerei ins Schuhgeschäft und erhielt 150 g Brötchen und 150 g Brot. Das Brötchen war ausgezeichnet, für 2,90 Rubel je Kilo, und das Brot für 1,10 Rubel je Kilo, ein schweres Brot mit einer sehr dicken Rinde. Mit dem Brot ging Lena in den kleinen Park gegenüber ihrem Haus, setzte sich in die Sonne und aß ein bisschen von dem Brötchen und dem Brot. Das Brötchen schien ihr leckerer als alle Törtchen zu sein. Seit November hatte sie kein Brötchen gegessen. Das letzte Mal hatte sie Brötchen gegessen, als Mama im Hospital gearbeitet und ab und an ein Stückchen mitgebracht hatte. Aber das waren überhaupt nicht solche Brötchen gewesen, sie waren grau und klebrig. So ein Brötchen hatte sie schon lange vor Kriegsbeginn nicht mehr gegessen. Sie hatten solche teuren Brötchen nur zu Feiertagen gekauft. Die letzten Monate vor dem Krieg hatten sie sehr sparsam gelebt. Sie hatten wenig Geld, außerdem versuchten sie im Juni und Juli für die Dampferfahrt auf der Wolga im August zu sparen. Deshalb war selbst ein Weißbrot eine Seltenheit. Sie aßen für gewöhnlich Roggenbrot.
    Damals ernährten sie sich hauptsächlich von Haferflocken. Von diesem billigen Lebensmittel konnte man beliebige Mengen bekommen. Einen ganzen Monat lang kochte Aka jeden Tag zum Mittag Hafersuppe. Die Suppe war so dick wie Brei, für jeden gab es zwei Teller, sodass selbst Lena der Haferflocken überdrüssig wurde und nur noch mit Mühe einen Teller her­unter­bekam. Abends röstete Aka die Haferflocken. Und das nannte sich damals »schlecht leben.« Jetzt rief die Erinnerung daran bei Lena nur ein bitteres Lächeln ­hervor.
    Nachdem sie ein bisschen Brötchen und Brot gegessen hatte, beschloss Lena, den

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