Lenke meine Fuesse Herr
unsere Stöcke außen vor dem Fenster in die Laibung geklemmt und die Wäsche darübergehängt und da hat mir wohl der Wind einen Streich gespielt. Doch da kommen auch schon einige Mädchen von der Koblenzer Gruppe und haben das kostbare Stück gefunden. Wir werden weiter ausgefragt, es entwickelt sich ein langes Gespräch über die Fensterbank — wieder freue ich mich über mich selbst, dass ich bekenne, durchaus religiöse Gründe für diesen Weg zu haben — nur Gerhard sieht mich da etwas verwundert an. Um viertel nach zehn verabschieden sich die Kinder mit guten Wünschen.
Donnerstag, 26. Mai 2005
Yenne – Saint-Genix-sur-Guiers 27 km
Um viertel nach sieben gibt es Frühstück — reichlich und gut. Gegen acht Uhr verabschieden wir uns — Kinder und Lehrer schlafen noch. Wir finden nach einigem Fragen den Einstieg in die „leichtere“ Variante des Chemin — ein freundlicher Autofahrer hupt und zeigt: Dahin! Jetzt geht es meist in wohltuendem Schatten bis zum Fuß des Berges und dann teils auf Asphalt steil bergauf.
Yenne liegt bei 230 Metern Meereshöhe und gegen elf Uhr sind wir auf dem Colle de Mont Tournier bei 851! Dort machen wir erst einmal Rast, essen von den morgens eingekauften Vorräten und dann geht es in glühender Hitze wieder bergab.
Ein altes Steinkreuz mit einer Pilgerfigur und die Tafel mit dem „Gebet des Pilgers“ laden zum Verweilen, nachdem wir bei Droniere wieder den „normalen“ Weg erreicht haben. Wir gehen in die Kirche von Saint-Maurice-de-Rotherens: Ein harmonischer Raum mit wunderbaren Proportionen, aber arm: Liebevoll gepflegt, zeigt er doch überall Anzeichen des Verfalls — es fehlt an allen Ecken und Enden. Ich leere kurzerhand das Münzfach meines Geldbeutels — etwas mehr als 4 Euro — und deponiere es mit einem Zettel auf einem Tisch im Chorraum: „Von zwei deutschen Jakobspilgern für Ihre Kirche!“ Als ich gerade durch die Ausgangstüre gehen will „packt mich St. Jakob am Kragen“: Ich kehre um und lege noch einen 10-Euro-Schein dazu.
O heiliger Jakobus! Hilf uns in allen Gefahren, begleite unsere Wege, sei uns Schatten gegen die Sonne, ein Mantel gegen Regen und Kälte, sei der Stab, der uns am Sturze hindert und der Hafen für die Schiffbrüchigen, auf dass wir, von Dir geleitet, sicher unser Ziel erreichen und gesund und wohlbehalten zurückkehren in die Heimat!
Wir schleppen uns durch die Mittagsglut und kommen nach Gresin. Der große Baum vor Mairie, Kirche und Schule spendet Schatten, ich verpflastere meinen linken Mittelzeh, den ich mir aufgestoßen habe (trage heute Sandalen), sehe drei Busladungen voller Kinder zu, die aussteigen, gezählt werden, in Doppelreihe antreten und dann erst geht es in den Kindergarten. Disziplin ist wohl großgeschrieben hier — ist wohl auch nötig bei solch quirligem Volk!
Eine freundliche Dame in der Mairie stempelt uns unsere Pilgerpässe ab, wir studieren Wanderführer und Herbergsverzeichnis und beschließen, bei einem Privatquartier in Saint-Genix-sur-Guiers unser Glück zu versuchen. Hinab ins Tal, über den Bach — und dann ist der Fels nicht mehr Jurakalk, sondern Sandstein — erinnert irgendwie an das fränkische Stufenland! Die ganzen zweihundert Meter, die wir abgestiegen sind, geht es wieder hinauf, erst Teer, dann steil durch den Wald — schweißtreibend! Doch wir werden oben durch einen grandiosen Ausblick auf den Rhônebogen entschädigt. Abwärts zur Chapelle des Pignieux oberhalb von Saint-Genix-sur-Guiers. Ein schöner Bau, klassizistisch mit Jugendstilanklängen, der an Stelle einer alten Kapelle steht, die im IX. Jahrhundert als Dank für einen Sieg über die Mauren errichtet wurde. Ich wusste gar nicht, dass die so weit gekommen waren!
Auf dem Friedhof unterhalb der Kapelle endet gerade eine Beerdigung. Wir fragen einige Trauergäste nach Madame Odette Arnaud, die hier Zimmer vermietet — und da sprechen die nur Italienisch! Da genieße ich richtig, mich wieder mal halbwegs fließend unterhalten zu können!
Madame Arnaud, bei der wir heute abend Quartier machen wollten, fährt heute Abend in „vacances“, sagt sie am Telefon, so rufen wir die Auberge/Campingplatz unten im Tal an: „Pas de problem!“ Es ist ein guter Kilometer über die Straße ins Tal, der Asphalt glüht, doch das gemütlichrustikale Gasthaus, der großzügige Wohnwagen mit den zwei getrennten „Schlafzimmern“, das phantastische Essen mit der charmanten Bedienung und vor allem der Halbpensionspreis von 20,00
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