Lenke meine Fuesse Herr
Flasche. Ein Croissant wird verspeist, das andere kommt in die Beintasche der Hose, griffbereit. Als ich packe, kullert die letzte Aprikose unauffindbar zwischen die Heuballen — schade drum! Ich marschiere los, es ist fast halb sieben und schon recht warm. Nach fünf Kilometern erreiche ich Saint-Antoine. Die Kirche ist um halb acht leider noch verschlossen, doch das Portal ist so interessant wie es alt aussieht: mozarabischer Stil!
Ich komme an der Gîte vorbei, fülle am Hahn auf dem Hof meine Wasserflaschen und mache Morgentoilette, sehr zur Verwunderung dreier Französinnen, die sich nicht erinnern können, dass dieser Pilger hier übernachtet hätte. Weiter, wieder mal über einen Bergrücken nach Flamerens — Kirche und Burg eine einzige Baustelle: Ruine im Wiederaufbau. Jetzt geht’s ein Stück die Straße entlang und da hat man liebevoll einen Fußweg angelegt, mit Bäumen bepflanzt; die Brückchen über die Bäche tragen alle die Jahreszahl 2004! Die Kirche in Miradoux gefällt mir — aber die in Castet-Arrouy noch besser. Am Rastplatz vor der Kirche sitzen Franzosen und haben gepicknickt — man lädt mich ein, den Rest vom kalten Huhn zu vertilgen und einen Becher Wein mit ihnen zu teilen.
Wieder fällt mir auf, dass man den Weg neu angelegt und hunderte von Büschen und Bäumen gepflanzt hat. Vor Lectoure hole ich ein französisches Ehepaar ein, das dort auch ihr Tagesziel hat — wir fotografieren uns gegenseitig vor einem leuchtenden Sonnenblumenfeld mit dem Ort und dem imposanten Kirchturm im Hintergrund. Runter ins Tal, und dann kommt eine endlose Steigung in die Stadt, vorbei am Friedhof, in der glühenden Sonne. Inge kommt mir in den Sinn, ich glaube, sie hat mal von dem langen Aufstieg nach Lectoure gesprochen. In die Kathedrale — ein Riesenbau, eindrucksvoll der Bischofsstuhl. In einem Fotogeschäft lasse ich wieder eine CD brennen und kaufe eine neue Tasche für meinen Fotoapparat — die alte geht aus dem Leim.
Allmählich muss ich mich um ein Nachtquartier kümmern. Und jetzt geht es Schlag auf Schlag: Die Gîte communal, in die ich wollte, gibt es nicht mehr. Die Pilgerunterkunft beim Pfarrer ist voll, auch die Nonnen können niemanden mehr aufnehmen. Im „miam-miam-dodo“ ist ein Privatquartier in der Unterstadt bei Madame Vetter ausgewiesen. Auf dem herrlichen Platz mit der grandiosen Aussicht über das Tal trinke ich noch ein französisches Dünnbier und dann mache ich mich auf den Weg — nicht ohne meine Stöcke zu vergessen — ein netter älterer Herr ruft mir nach. Ich steige den Berg hinab, an der Dianaquelle vorbei — angeblich einem Brunnen aus der Römerzeit — finde die Adresse, freue mich über den schattigen Garten, der zu dem Haus gehört, und klingle frohgemut. Nach endlosem Warten höre ich eine alte Frau rufen; „J’arrive!“ Madame ist sicher weit über achtzig und macht mir klar, dass sie schon seit langer Zeit keine Pilger mehr beherbergt. Doch die Straße hinab sei ein Hotel. Es ist unerträglich heiß und schwül, auch jetzt noch um halb fünf, und ich habe keine Lust, bei dem drohenden Gewitter draußen zu schlafen oder die neun Kilometer bis Marsolan zu laufen, wo die nächste Herberge wäre.
Also die fast zwei Kilometer zum „Relais de Saint-Jacques“, direkt am Weg und das ist ein Glücksgriff. 36,00 € zahle ich für das Einzelzimmer mit Halbpension. Superluxusdusche, und als ich herunterkomme an die Bar, sitzen da zwei der Frauen aus der Gîte von Sainte-Antoine. Die ältere heißt Christine und ist meiner Schätzung nach so um die vierzig. Leider gibt es Bier nur in Viertelliterflaschen und so staunen die beiden, wie schnell das dünne Gesöff bei mir verschwindet. Das dritte spendiert mir ein durchreisender Vertreter, der etwas Deutsch spricht: Als Soldat war er im Schwarzwald stationiert. Beim Abendessen sind es dann vier Französinnen und ein Franzose, und bei gutem Essen und natürlich Wein wird es noch sehr lustig. Die Mädchen wollen morgen früh den Abstecher über La Romieu machen, ich möchte schnurstracks nach Condom. Christine ist so nett und reserviert telefonisch für mich in der Gîte equestre in Le Hau, einen Kilometer davor. Beim Gute-Nacht-Sagen nehmen wir Abschied: Man wird sich wohl nicht wieder sehen.
Freitag, 24. Juni 2005
Lectoure – Condom 26 km - Ruhetag
Ab viertel nach fünf kann ich nicht mehr schlafen, wälze mich nur noch. So stehe ich auf, packe und bin um fünf vor sechs beim Frühstück, das schon am Abend
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