Lenke meine Fuesse Herr
die Jeans in einen Plastikbeutel verpackt habe! Da hab ich nachher noch trockene Kleidung, denn meine Wäsche auf dem Trockenständer ist jetzt sicher auch noch mal gespült worden! So patsche ich halbwegs beruhigt zurück zur Gîte, amüsiere mich über die lauwarmen Fluten, die vorne zu meinen Sandalen rein und hinten wieder raus laufen. Als ich die Treppe zur Unterkunft hochsteige, hat der Regen aufgehört, sogar die Sonne bricht wieder durch. Hoffnungsvoll ziehe ich mich um, wringe die nassen Kleider aus und hänge alles noch mal zum Trocknen auf.
Ich werde hier im Pilgerlager der Einzige bleiben, doch jetzt am Abend belebt sich das alte Château. Ein Dutzend Damen, bewaffnet mit Pinsel, Leinwand und Staffelei trudelt ein, schwatzend, augenscheinlich ein Malkurs. Ich werde auch meine 26,00 € für Halbpension los und gegen acht Uhr gibt es dann Abendessen im „schönen“ Teil des Châteaus: vorzüglich! Die Malerinnen und ihr englischer Lehrer verwöhnen mich rührend, fragen mich über meinen Weg aus — die meisten verstehen Englisch. Doch kurz vor zehn fallen mir die Augen zu — nicht zuletzt vom Wein — und ich verabschiede mich.
Samstag, 26. Juni 2005
Condom — Escoubet 34 km
In der Nacht hat es noch einmal gewittert und geregnet — ich bin froh, dass ich am Abend noch die Wäsche auf dem Trockenständer in den Vorraum unter Dach gebracht habe. So sind die Kleider zwar noch klamm, als ich gegen halb sechs aufstehe, aber nicht mehr nass. Das, was ich heute zurückschicken möchte, ist trocken. Trekkinghose und Hemd sind noch feucht, doch ich weiß aus Erfahrung, dass sie am Körper sehr schnell trocknen. Das nächste Postamt hinter Condom ist siebzehn Kilometer weiter in Montréal-du-Gers und man hat mir gesagt, dass die Post um zwölf schließt — also ist Eile geboten. Ich packe — woher kommen nur die vielen Miniameisen, die in und auf meinem Rucksack rumkrabbeln? Und woher kommen die scheußlich juckenden Bisse, die ich am ganzen Körper habe? Ich dusche, klopfe gründlich Schlafsack und Kleidung aus: sieh da — Flöhe! Nun ja, ich hoffe, ich habe sie los. Frühstück: Ich darf es mir in der Küche selber zusammenstellen, habe sogar die Erlaubnis, an den Kühlschrank zu gehen, und so gibt es den ungewohnten Luxus von Schinkenbaguette.
Als ich loslaufe, fängt es an, leicht zu regnen — ich begnüge mich mit dem Schirm, doch nach wenigen hundert Metern kann ich ihn wieder wegstecken. Ich wollte eigentlich in die Jakobskirche, doch die ist so früh noch geschlossen.
Jetzt lege ich einen Zahn zu: Will ich meinen Ballast heute in Montreal noch loswerden, muss ich einen guten Schnitt hinlegen. Nach Larresingle die ersten Wanderer, zwei stämmige Französinnen, an denen ich fast im Laufschritt vorbeihetze. Kurzer Halt an der Pont d’Antigues, dann bin ich auch schon in der Kirche von Routgès, ein schöner kleiner Bau. Gut, einen Augenblick zu verschnaufen! Eintrag ins Pilgerbuch — heute war von mir noch keiner da — Wasserflaschen auffüllen, kurz Gesicht waschen — und weiter!
Und dann bin ich plötzlich in Montréal — nach nicht einmal drei Stunden für etwa 18 Kilometer! Wahnsinn! Im Touristbüro lasse ich mir meinen Pilgerpass abstempeln und die Post zeigen: 1355 Gramm gehen nach Hause — ich glaube, langsam wiege ich mit Rucksack wirklich weniger als vorher ohne! Die Kirche enttäuscht — keine Atmosphäre. Doch an dem großen Platz eine Bar: eine große Pression für mich! Da sitzt am Nebentisch eine Deutsche: Elisabeth aus Regensburg, auch eine von denen, die schon länger in den Pilgerbucheinträgen vor mir hergeistern, und auch eine, die Bekanntschaft mit Gerhard gemacht hat.
Im Laden nebenan kaufe ich noch ein und mache mich wieder auf den Weg. Durchs Tor, hinab ins Tal: Die römische Villa bei Séviac ist mir den Abstecher wert und ich folge der Markierung dorthin. Doch vor dem Sightseeing kommt erst einmal Picknick auf der Bank vor der Kasse. Die Ausgrabungen und ihre Geschichte beeindrucken mich tief, die Hypocaustenheizungen, die Großzügigkeit der Anlage und vor allem die herrlichen Mosaikfußböden. Es ist noch früh am Tag und ich verwerfe die Idee, heute in die Herberge hier im Ausgrabungsgelände zu gehen — ein bisschen mehr muss es schon sein!
Ich finde die Markierung zurück auf den Jakobsweg nicht. Also wandere ich zurück nach Montreal und von dort aus weiter. Jetzt wird es richtig heiß, doch glücklicherweise laufe ich meist im Schatten. Der Weg landet
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