Lenke meine Fuesse Herr
und Blutpflaumen direkt vom Baum. Ich habe mir überlegt, schwimmen zu gehen, doch einerseits ist es recht frisch und andererseits sieht das Wasser nicht besonders sauber aus. Bergauf, bergab, eine lange Wanderung auf einem Hügelgrat — leider keine Aussicht: Eigentlich müsste ich die Pyrenäen schon ganz deutlich vor mir haben! Am Ortseingang von Larreule mache ich Pause am alten Waschplatz — hätte ich gewusst, dass es unterhalb der Kirche einen liebevoll eingerichteten Rastplatz mit Wasserhahn gibt, wäre ich die paar Meter weitergelaufen!
Durch den Ort, über die Brücke — und jetzt ist es sehr warm geworden. Ich komme nach Uzan, wo ich eigentlich übernachten wollte — bloß wo ist die Gîte? Als ich erfolglos den Ort durchquert habe, beschließe ich, weiterzulaufen bis Pomps, wo ich die nächste weiß. Die Sonne brennt, über die Zäune einiger Einfamilienhäuser fällt mein Blick auf Swimmingpools, manche sogar mit recht hübschen Bikinis drin — worüber hat sich Piet vorgestern so amüsiert? Bei irgendeiner Gelegenheit hatte ich den „Faust“ etwas abgewandelt: „Mit fünfundfünfzig Tagen Jakobsweg im Leibe, da siehst du Helena in jedem Weibe!“ Ich gebe zu, ich hätte nichts dagegen, wenn mich eine der Schönheiten jetzt in ihren Swimmingpool einlüde — aber schließlich bin ich auf Pilgerfahrt und nicht auf Lustreise!
Endlich bin ich in Pomps . Wie der Wanderführer angibt, kann ich mich im örtlichen Kramladen in die Gîte communal anmelden — gleich nebenan hinter der Sporthalle. Ich komme rein — und wer erwartet mich da? Sabine und Geneviève, die Hebamme! Freudiges Wiedersehen! Ich kaufe noch ein — unter anderem ein Pfund Kaffee, denn die Küche ist wirklich mager ausgestattet, und dann kochen wir gemeinsam. Wir tun uns an Nudeln, Wein und Bier gütlich, speisen im Freien und amüsieren uns königlich über einen Hund, der hartnäckig seine Angebetete verfolgt, die aber sichtlich abgeneigt ist. Die beiden hetzen kreuz und quer, dann kommt die Hündin zu uns, betteln , aber blitzschnell ist der Rüde wieder da, bedrängt sie und das Spiel geht von vorne los. Sabine kann es kaum fassen, dass er nicht merkt, dass er keine Chancen hat und Geneviève meint dazu trocken: „Voilà: un homme!“
Ich lasse die beiden im einzigen Zimmer im Haupthaus schlafen — Sabine steckt anscheinend noch immer ihr Erlebnis mit dem Exhibitionisten in den Knochen, — und verziehe mich in den Baucontainer. Das hat auch den Vorteil, dass ich da Fenster und Türen aufreißen kann, ohne dass jemand über Zug klagt.
Donnerstag, 30. Juni 2005
Popms – Sauvelade 30 km
Um viertel nach fünf bin ich auf und stelle fest, dass in meinem Container kein Licht geht. Macht nichts, wofür hat man die Taschenlampe? Ich packe und mache für uns drei Frühstück. Um halb sieben geht es dann endlich los. Die angebrochene Kaffeepackung nehme ich mit — kann ich sicher noch brauchen.
Keine Wolke am Himmel, im Schatten ist es noch frisch, doch die Sonne ist schon draußen und brennt. Bergauf nach Castillon: ein schönes Chateau und ein gewaltiges Kriegerdenkmal mit einer pompösen Sondertafel für einen Helden des Indochinakrieges — wir Deutschen vergessen gerne, dass unsere Nachbarn ja nach dem Weltkrieg noch weitere Kriege geführt haben. Wir nach 45 Geborenen wissen gar nicht zu schätzen, welchen Segen 60 Jahre Frieden für uns bedeuten!
Unter diesen Gedanken bin ich den Berg wieder hinab gekommen, es geht auf der stillen Landstraße über eine Brücke und ein stilles, schönes Wiesental entlang. Ich überhole einen alten Mann auf Krücken, der sich mühsam vorwärts schleppt, mir aber kraftvoll und fröhlich „Guten Morgen!“ wünscht. Wo der bloß herkommt so am frühen Morgen? Die Chapelle de Coubin liegt schön am Hang vor dem Ort, ist liebevoll restauriert und das gotische Rittergrab ist faszinierend, auch wenn dem steinernen Ritter die Beine fehlen. Als ich die Kapelle verlasse, steht da Sabine, hat schon abgesattelt und sucht den Wasserhahn. Wieder einmal verabschieden wir uns.
Arthez-de-Béarn ist ein endloser Schlauch. Ich verkneife mir einen Kaffee: Die noch halbwegs erträglichen Temperaturen des Vormittags möchte ich ausnutzen, um vorwärts zu kommen. Der Ausblick vom Kirchplatz auf die Pyrenäen, den der Führer anpreist, fällt dem Dunst zum Opfer — nur die Raffinerien im Tal sind zu erahnen. Eine Gruppe Radfahrer aus Schwaben überlegt sich den Weg — wir kommen ins Gespräch und sie
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