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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Wittenberg
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Kindern. Ich helfe ihr bei einer kleinen Reparatur am Fenstersturz des Küchenfensters. Eigentlich möchte ich noch länger bleiben.
    Im Übrigen hat mein Schrittzähler den Geist aufgegeben.

Mittwoch, 29. Juni 2005
Latrille – Pomps 41 km

    Als viertel nach fünf der Handy-Wecker dudelt, bin ich schon wach. Ich habe gestern schon gepackt, bin eigentlich fertig, doch erst noch einen Kaffee trinken, Tee auf brühen und in die Aluflasche füllen. Fünf vor sechs kommt Lesley mit ihrer Teetasse und wir bewundern beide den herrlichen Sonnenaufgang. Ich sage: „The first time since I left home, that my feet are not itching to walk !“ Sie amüsiert sich über diesen Ausdruck, doch ich habe auch das Gefühl, als wäre es ihr sehr recht, wenn ich noch etwas bliebe — und das nicht nur wegen der 25,00 € am Tag. Um halb sieben hat sie mich nach Latrille gebracht und wir verabschieden uns mit einer festen Umarmung und Küsschen.
    Ich stiefle los und bin bald in Miramont. Die Kirche hat Atmosphäre und ich halte eine stille Morgenandacht, danke für den herrlichen Ruhetag und bitte um Kraft für den weiteren Weg: Es sind keine tausend Kilometer mehr — ich werde gleich an einem Schild vorbeikommen, das sagt, nach Santiago seien es nur mehr 956! Ich blättere ein bisschen im Pilgerbuch: Ein paar Seiten zurück hat einer den Satz aus Janis Joplins „Me and Bobby McGee“ reingeschrieben: „Freedom’s just another word for nothing left to loose!“ Und das führt dazu, dass ich die nächsten Stunden Janis Joplin singe. Hauptsächlich „Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes Benz...“
    Durchs Dorf — am Brunnen sitzen drei Wanderinnen, eine davon mit fuchsrot gefärbtem Haar, die recht befremdet meinen fröhlichen Gruß erwidern . Am Ortseingang überhole ich noch eine kleine Gruppe Franzosen, zwei Frauen und einen Mann, und die grüßen freundlich zurück. Der Himmel ist bedeckt, eine frische Brise weht, es ist fast kühl — ideales Wetter zum Wandern. Ich komme an die fast tausendjährige Église de Sensacq. Die Kirche ist in bejammernswertem Zustand: aus der Nord- und der Ostseite fallen ganze Quader! Doch das große Ganzkörpertaufbecken ist schlicht und beeindruckend und im Innenraum spüre ich eine ganz besondere Stimmung.
    Weiter über Feldwege und durch den Wald — und da taucht jenseits des Tales Pimbo auf: eine Bastide, also ein Wehrdorf, und richtig trutzig thront es auf dem Hügel. Ich komme auf den baumbestandenen Platz vor der Kirche. Vor der Gîte, die gleichzeitig als Accueil de Pèlerins und als Fremdenverkehrs-Info dient, stehen ein paar Tische, um die schon fröhliches Wandervolk sitzt. Als ich vor der netten Chefin meinen Pilgerpass ausbreite, um ihn abstempeln zu lassen, erzählt sie ganz aufgeregt den anderen Pilgern, dass ich tatsächlich toute la route de lAllemagne hierher gewandert sei: allgemeines Staunen! Als ich später in der Kirche sitze — der Chor hat eine wunderbare harmonische Wirkung, doch die Schiffe sind wie angestückelt — , kommt sie leise und drückt mir einen Prospekt über die alte Abtei in die Hand. Der Klostergarten ist bezaubernd, mit buchsumwachsenen Kräuter- und Blumenbeeten, auf der Mauer sonnt sich eine Eidechse — ich kann mich fast nicht losreißen.
    Ich trinke noch einen Kaffee vor dem Pilgerbüro, als die drei Wanderinnen aus Miramont auftauchen: Regensburgerinnen, die sich heute den zweiten Tag auf dem Jakobsweg versuchen. Wir fachsimpeln noch ein bisschen und dann „stiefle“ ich (in Sandalen) den Berg hinab. Die Straße macht einen weiten Bogen ins Tal — ich kürze ab und balanciere bei einer Mühle auf einem Brett über den Bach, misstrauisch beäugt von zwei Ziegen und dem Hofhund und eifrig beschnattert von einigen Enten. Es folgt Asphaltlatscherei, unschön, aber bei dem frischen Wetter geht’s flott. Mein Knie macht mir heute keine Sorgen mehr — der Ruhetag gestern war doch richtig!
    Bergauf — und dann bin ich in Arzacq-Arraziguet. Am Ortseingang ein Schild: Rechts geht’s zur Schinken- und Wurstfabrik! Ich denke an meine Vorräte und bekomme, wie es angekündigt war, als Rucksackträger wirklich 30% Rabatt auf die Hartwurst und die Kuttelpasteten — beides sehr gut! Im Ort kaufe ich noch ein Brot, das mir der freundliche Bäcker auf meinem Rucksack festschnallt. Er erklärt mir den kürzesten Weg zurück auf den Chemin und ich lande an den Bänken unten am Stausee — ideal zum Picknick machen! Zum Nachtisch gibt’s unterwegs Mirabellen

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