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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Wittenberg
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Wir sind schlechter Laune und müssen einkaufen, doch es ist fast Mittag und die Geschäfte sind geschlossen. Endlich können wenigstens Piet und ich Geld holen; Mary lässt ihre Sonnenbrille reparieren. Die Kathedrale mitten im Ort ist sehr schön, besonders die Petrusstatue hat es mir angetan. Der Sarkophag der heiligen Quitteria allein ist den Besuch wert — Falkenbergs amüsieren sich königlich, dass ich sie „die heilige Quitte“ nenne, denn noch bin ich ziemlich sauer. Wir entschließen uns in Ermangelung eines Parks mit Bänken einfach vor dem Eingang zur Kathedrale zu picknicken. Und wie wir uns gerade so einrichten, wer kommt? Sabine! Sie ist ja vor uns aufgebrochen, macht heute eine etwas kürzere Etappe und hat sich hier in einem Hotel einquartiert. Kaum haben wir uns begrüßt, kommt Pierre, ein ellenlanger junger Franzose, der uns gestern schon einmal begegnet ist und uns beeindruckt hat: Er läuft ohne Karte und ohne Führer und findet doch seinen Weg. Heute Nacht hat er in der Schutzhütte im Wald geschlafen, die mich so angesprochen hat. Da trifft es sich gut, dass wir heute früh in der Gîte die dritte Flasche Wein von gestern Abend kurzerhand in meine Aluflasche umgefüllt haben und dass ich einen Trinkbecher dabei habe! Der Wein ist schnell vertilgt und auch meine Laune bessert sich.

    Weiter, endlos durch die Stadt. Die Kirche der „heiligen Quitte“ reizt uns nicht. Wir sind schon wieder schweißgebadet und froh, dass wir am Ortsausgang ein nettes Gartenrestaurant finden, in dem wir einen Kaffee trinken und vor allem die Toilette besuchen können — übrigens ein originelles Örtchen, künstlerisch ausgestaltet und mit einem gefüllten Bücherregal bestückt.
    Wir kommen aufs Land: asphaltierte Feldwege, Maisfelder, Bohnen, Maisfelder — wir sind ziemlich fertig und mein Knie schmerzt höllisch bei jedem Schritt! Am liebsten würde ich mich in den Straßengraben setzen und aufgeben, doch ich will mir vor Falkenbergs keine Blöße geben. Wir retten uns mit Liedern über die Runden, das unsterbliche Dauerlied vom wandernden Elefanten, das mich schon als Kind über lange Wanderungen gebracht hat, zwischendurch kommandiere ich wie beim Bund Marsch und Schwenkungen — so vergeht wenigstens die Zeit und ich vergesse minutenlang meine Schmerzen.
    Endlich eine Pinien- und Pappelplantage: Da hinten ist Latrille!
    Neben der Kirche ein kleines Gebäude ohne Tür, eher wie ein Bushäuschen: der Accueil de Pèlerins. Wir stempeln unsere Pilgerpässe, tragen uns in das Buch ein, rufen in Lannux an und gegen fünf Uhr kommt Madame Gasking angefahren. Lesley ist eine reizende Engländerin mit sehr netten Kindern — und die Gîte ist ein Traum! Doppelzimmer, luxuriöse Dusche, Bettwäsche und Handtücher! Dazu ein großer Aufenthaltsraum mit Küche, Terrasse auf den Rasen hinaus — dahinter ein Feld, das an unsere Hopfenfelder erinnert mit den hohen Stangen und Rankdrähten: Kiwis.
    Als wir uns frisch gemacht haben, zeigt Lesley uns, was sie hauptberuflich macht: Kirchenfenster. Von ihrem Vater hat sie die originale, jahrhundertealte Technik der Bleiverglasung gelernt — nicht zu verwechseln mit der „billigen“ Tiffany-Technik. Und so restauriert sie Kirchenfenster und schafft neue — Wunderbares hat sie in Arbeit und in ihrem Hof eingebaut. Wir essen mit ihrem Sohn, der morgen Prüfung in der Schule hat, ihrer Tochter und deren Freundin eine wunderbare Lasagne, bei der mir gar nicht auffällt, dass sie vegetarisch ist. Ich beschließe, einen Rasttag einzulegen — so gut und auch so preiswert (HP 25,00 €) werde ich’s kaum woanders kriegen.
    Falkenbergs werden sich morgen früh wieder auf den Chemin fahren lassen.

Dienstag, 28. Juni 2005
Lannux Ruhetag

    Morgens nach dem Frühstück herzlicher Abschied von Falkenbergs. Lesley bringt mir den Rest Lasagne von gestern, die ich kalt vertilge — genau so gut wie gestern! Ich bin faul, wasche Wäsche, nähe meinen Rucksack, an dem eine Naht an der Deckeltasche aufgegangen ist, schreibe Tagebuch, telefoniere mit Silvia, putze die ganze Gîte und lese Woody Allen auf englisch. Und den ganzen Tag höre ich das Hämmern aus Lesleys Werkstatt. Im Hof steht ein Schleifstein: Ich fülle Wasser in das Becken und schärfe meine Messer — die waren grad noch gut, um weiche Butter zu schneiden.
    Am Abend wieder Essen mit Lesley und ihrer Familie, hinterher noch ein Gläschen Wein mit ihr, bei dem sie mir von ihrer gescheiterten Ehe erzählt und von ihren

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