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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Wittenberg
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ihr Auto belädt. Offensichtlich eine Vietnamesin, oder zumindest zur Hälfte. Mary hält ihr die beiden Wasserflaschen entgegen und bittet um kaltes Wasser. Die Frau sieht sie abweisend an: „Unser Wasser ist nicht kalt!“ Mittlerweile ist der Familienhund aufgetaucht und bellt Mary und mich pflichtbewusst an. „Macht nichts, wenn das Wasser warm ist!“, meint Mayr und die Frau verschwindet mit den Flaschen im Haus.
    Der Hund blafft, beruhigt sich aber, als ich sanft auf ihn einrede. Kaum höre ich auf zu sprechen, fängt er wieder an. Ich rede auf ihn ein und er verstummt. Das ganze drei, vier Mal.
    Die Frau kommt zurück, drückt Mary wortlos die gefüllten Wasserflaschen und einen Plastikbeutel in die Hand und wendet sich wieder ihrem Auto zu.
    In dem Plastikbeutel ist Eis – geformt wie kleine Hunde. Wir holen einige raus: Durch den weiten Hals meiner Blechflasche gehen die beiden kleinsten, die Öffnung der Plastikflaschen, die Falkenbergs haben, ist entschieden zu klein. Also wird Mary die Hunde in der Hand tragen, bis sie so weit geschmolzen sind, dass sie in die Flaschen hineinflutschen.
    Nach einigen hundert Metern in der Hitze ist es so weit. Ich nehme zwei der Hunde und zwänge einen in Marys Flasche, die sie noch am Rucksack trägt, gieße Schmelzwasser nach. Dabei hüpft mir der zweite aus der Hand.
    Peter hebt ihn auf und steckt ihn in den Mund: so wird er sauber und schmilzt schneller. Ich öffne seine Flasche am Rucksack und bringe tatsächlich zwei der Hunde hinein. Er will mir den aus seinem Mund geben, der fällt herunter, Piet bückt sich, um ihn aufzuheben – und da läuft ihm das ganze Wasser aus der Flasche…
    Dick und Doof hätten sich auch nicht dümmer angestellt als wir…

    Endlich kommen wir — erhitzt und erschöpft — in die Gîte von Lanne-Soubiran. Ein alter Bauernhof, der Stall ist jetzt die Gîte. Ein großer Esstisch steht auf dem Hof, drei Liegestühle, ein kleiner Hund begrüßt uns und will spielen. Mary ruft: „Da ist ja Sabine!“ Und jetzt stellen wir fest:
    Das Haus ist proppenvoll! Der Schlafsaal ist unterm Dach untergebracht, sehr schön, doch glühendheiß — das kann eine heitere Nacht werden. Wir lernen eine Hebamme aus dem Raum Paris kennen und Sylvie, eine Lehrerin aus Mont-St-Michel in der Normandie. Nett, wie sie sich freut, als ich sage: „Ach da, wo die moutons presales herkommen!“
    Sabine aus Dresden erzählt, dass ihr gestern am ersten Bahndammabschnitt ein Exhibitionist aufgelauert habe und beschreibt den Mann.
    „Den haben wir auch gesehen!“, meint Piet, „der hat sich verzogen, als er gesehen hat, dass wir zu zweit waren!“ Und auch ich meine, mich an einen Mann dort zu erinnern, auf den Sabines Beschreibung passt, und der sich in die Büsche verzog, als er mich als Mann erkannt hat. Sabine ist recht geschockt, doch wir sind uns alle einig, dass so etwas auf dem Jakobsweg die absolute Ausnahme ist.
    Piet hat sich des Hündchens erbarmt, das unbedingt Stöckchenwerfen spielen will — und jetzt kriegt er es nicht mehr los! Endlich erlöst ihn Pierre, der Wirt, und sperrt den Kleinen weg — schließlich wollen wir essen!
    Das Essen ist sehr gut, und da Pierre drei Flaschen Wein auf den Tisch stellt, werden wir sehr vergnügt! Als es Schlafenszeit ist, beschließe ich, nicht im stickigen Schlafsaal zu nächtigen. Ich stelle mir draußen einen der Liegestühle flach, rolle darauf meine Isomatte aus und schlüpfe in den großen Schlafsack. Ich glaube, so gut wie ich haben die da drinnen alle nicht geschlafen!

Montag, 27. juni 2005
Lanne-Soubiran – Latrille 33 km

    Wir brechen als letzte auf — halb acht: viel zu spät für meinen Geschmack. Ein Besuch in der hiesigen Kirche — da sitzt eine Französin und singt wie ein Engel — besser als jede Morgenandacht! Wieder auf den Weg, und erst einmal geht es in einen Wald, mittendrin eine Schutzhütte, und ich denke mir: Wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich heute Nacht wahrscheinlich hier geschlafen. Gestern Abend haben wir in Lannux, etwas abseits vom Chemin, angerufen: In Latrille wird man uns abholen und wir hoffen, zwischen vier und fünf dort zu sein.
    Der Tag wird grausam. Es ist wieder einmal drückend heiß und schwül, und als sich die Wolken verziehen und die Sonne brennt, wird es fast unerträglich. Wir sind dem wortreichen Rat eines urigen Bauern gefolgt und kürzen über die Landstraße ab, doch das bedeutet lange Kilometer über glühheißen Asphalt bis Aire-sur-l’Adour.

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