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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Wittenberg
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an den Bauchgurt des Rucksacks und ich kann die Hosen- und Hemdtaschen ausleeren: Pilgerpass, Geldbeutel, Notizbuch, Stift und Handy passen rein: Wenn ich den Rucksack ablege, nehme ich die Tasche ab und habe meine Wertsachen bei mir. Die Chefin macht dem Pilger einen Sonderpreis: 15,00 € für Stopfen, eine Rolle Isoband und die Tasche.
    Weiter die Calle Mayor hinab, durch einen Torbogen in einen Jahrmarkt. Ich habe es jetzt eilig und drücke aufs Tempo. Wir kommen über das Glacis der Zitadelle, auf dem Rasen spielen Kinder und in der Frühabendsonne lagern ganze Familien. Durch Vorstädte und unter der Stadtautobahn hindurch auf das Gelände der Universität. Hier bekommen wir einen Stempel in unsere Pilgerpässe. Ich schleppe Angelika nach Cizur Menor, wo über einer alten Kirche die Fahne der Malteser weht: das Refugio. Doch das ist voll belegt und man verweist uns an die Herberge im Ort. Zunächst irren wir ein bisschen herum, das Gartentor neben einem Wohnhaus hatten wir nicht als Eingang registriert. Doch dann haben wir unsere Betten und eine Dusche. Das Refugio hat einen wunderschönen Garten, in dem ich mit einem netten Radfahrer aus Nürnberg ins Gespräch komme, der mir ein Bier aus seinem Sixpack spendiert.
    Angelika und ich waren ziemlich fertig, als wir ankamen, doch jetzt sind unsere Lebensgeister erwacht und wir haben Hunger. Kochen kann man hier nicht, also zum Essen in eines der beiden Lokale im Ort. Es gibt für wenig Geld ein gutes Dreigangmenü, dazu eine Flasche Wein und wir schmausen und schwatzen über Gott und die Welt — und plötzlich ist da der Wirt und fragt nach unseren Namen: Die Hostalera hat angerufen, wir sollen machen, dass wir ins Refugio kommen. Es ist halb elf!
    In der Herberge erwartet uns ein Donnerwetter in Form eines spanischen Wortschwalls, von dem ich kaum etwas verstehe — nur so viel, dass wir machen sollen, dass wir lautlos in unsere Betten kommen! Wir setzen uns trotzdem noch an einen der Gartentische und leeren die halbe Flasche Wein, die wir vom Essen noch übrig hatten. Wir nehmen Abschied — morgen gehen wir getrennte Wege. Das erste und einzige Mal in diesen drei Tagen nehme ich die Kleine in die Arme. Um halb zwölf schlafe ich wie ein Stein.

Mittwoch, 6. Juli 2005
Cizur Menor – Cirauqui 32 km

    Halb sechs weckt mich mein Handy, das in meiner neuen Tasche unter dem Kopfkissen vibriert. Kaffee und ein kleiner Kuchen aus dem Automaten, gepackt ist schnell: Seidenschlafsack in die Seitentasche des Rucksacks gestopft, den Plastikbeutel mit Zahnbürste und -paste genommen und im Waschraum Zähne geputzt, eine Handvoll Wasser ins Gesicht. Ich habe in der Unterhose geschlafen: So muss ich nur noch Hose, Hemd, Strümpfe und Stiefel anziehen und bin fertig. Das geht alles fast lautlos im Schein der Notbeleuchtung — das endlose rücksichtslose Geknister mit Plastikbeuteln und Ähnlichem, das ich aus anderen Ecken des Schlafsaals höre, entfällt bei mir.
    Kurz vor sechs bin ich der Erste aus dem Refugio, der auf dem Weg ist. Es ist noch dunkel, die Luft ist angenehm frisch — eine seltsame Stimmung so früh im schlafenden Ort. Durch weite Felder, immer bergan; es ist hell geworden und über Pamplona hinweg grüßen die Pyrenäen.

    Ich kann es kaum fassen, dass ich die auch schon hinter mir habe. In Zariquiegui fegt eine Frau den Platz vor der Kirche, macht aber keine Anstalten, mir Einlass zu verschaffen, als ich an der verschlossenen Kirchentür rüttle. Gut, eben nicht! Es geht nun einen steilen Trampelpfad an der Fuente de Reniega vorbei hinauf auf den Paso del Perdón.
    Der Bergrücken, früher auch Sierra de las Molinas, Windmühlenberg genannt, macht seinem Namen alle Ehre: Eine endlose Reihe moderner Windmühlen — Windgeneratoren — rauschen auf dem Bergkamm. Der Himmel bewölkt sich, hier oben ist es fast neblig.
    Ich komme an das originelle Pilgerdenkmal, aus Eisentafeln geschnittene Silhouetten einer Pilgergruppe mit Kind und Kegel, Pferd und Esel, über ihnen ein Sternenfeld, das campus stellarum: Compostela. Gegenüber der Hinweis auf das frühere Pilgerhospital und eine Übersichtstafel für den weiteren Weg.

    Unten im Tal Baulärm: Der Bergrücken wird mit einer Autobahn untertunnelt. Diese Autobahnbaustelle wird mich heute immer wieder begleiten und macht aus allen Wegführern Makulatur. Steil abwärts — tief ausgewaschene Fahrspuren mit kopfgroßen Steinen — ich bin froh, dass ich die Stiefel angezogen habe. Der Himmel ist nach wie vor

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