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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Wittenberg
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kostbare Dokument — so etwas habe sie noch nie gesehen, ein Pilgerpass, der schon durch halb Europa geführt hat! Ich bin richtig stolz auf mich. In einem kleinen Laden kaufe ich Donuts und zwei kühle Dosen Bier, wandere ein Stück weiter, bis ich unter einem Baum in einer kleinen Grünanlage eine Bank finde: Dort schmause ich und befreie meinen Rucksack vom Gewicht der Bierdosen. Leicht drüsig wandere ich weiter, komme durch das Neubaugebiet mit einem großen Supermarkt. Zwei kleine Dosen Pate kaufe ich - sonst gäb’s nur Thunfisch in tausend Variationen — eine Hartwurst und ein Brot. „Sin sal!“, warnt mich die Verkäuferin. Als ich meinen Einkaufswagen, in dem ich meinen Rucksack durch den Laden kutschiert hatte, wieder abstelle, lacht mir aus einem anderen eine Dose Sardinen entgegen — ich nehme sie als Geschenk dankend an!
    Durchs Neubaugebiet endgültig aus der Stadt heraus. Der Himmel ist klar, die Sonne brennt und da winkt die Bodega Irache — da war doch was? Ja: der weltberühmte Weinbrunnen! Tatsächlich: zwei Wasserhähne an einem schönen Wandbecken, ein Schild: „Pilger, willst du gesund und bei Kräften nach Santiago kommen, stärke dich hier!“ Dazu der Hinweis, dass der Brunnen weltweit über eine Webcam sichtbar ist: www.irache.com . Das wäre doch was! Wenn Silvia jetzt an den Computer geht, dann kann sie mich sehen. Nach über zwei Monaten! Doch als ich anrufe, ist sie nicht da. Schade, so kann ich ihr nur auf Band sprechen. Ich trinke zwei von den Achtelchen Wein, die der Hahn jeweils hergibt, und fülle meine Wasserflaschen am anderen. Der Brunnen ist jetzt umlagert von Radfahrern und Wanderern — ich mache mich auf die Socken und sehe mir das Kloster an. Lohnt einen Abstecher! Vor der Abtei ein schattiger Platz — hier mache ich erst einmal Picknick und eine kleine Siesta.
    Weiter: Eine Zeitlang treffe ich immer wieder Mutter und Sohn, die auf Mountainbikes den Jakobsweg entlangfahren. Es geht streckenweise auf Trampelpfaden durch den Wald — die Radfahrer haben den Weg schlimm kaputtgemacht, mit tief ausgefahrenen Fahrspuren, manchmal kaum noch passierbar — warum bleiben die nicht auf den Straßen?
    Und dann Villamayor: Ich komme in die Kirche, der Raum ist dunkel und kühl, endlich wieder eine alte Kirche, die nicht von einem riesigen goldenen Barockaltar beherrscht wird, sondern in dem Maß und Raum harmonieren dürfen — und auf der vordersten Bank sitzt eine Frau und singt mit einer wunderbaren Stimme. Ich antworte ihr mit meinem Pilgerlied — das erste Mal, dass ich es öffentlich singe. Die Frau erwidert mein Lied nochmals mit ihrem wunderbaren Hymnus, während Mutter und Sohn Radfahrer andächtig auf der Eingangstreppe sitzen. Die Sängerin verlässt die Kirche, nickt mir im Vorbeigehen freundlich zu — ich habe den Impuls, ihr für ihren Gesang zu danken — warum habe ich es nicht getan?
    Als ich das Dorf verlasse, bin ich so in Gedanken, dass ich einen Wegweiser übersehe, doch ein netter Dörfler schickt mich die hundert Meter zurück, die ich falsch gelaufen bin. Nun kommen über zwölf Kilometer Straßen und Feldwege, fast immer leicht bergab. Ich bin jetzt gut in Form und gehe schnell. Ein kaum sichtbarer Bach, ein niedriger Buckel — Ziegenpass genannt — und dann bin ich in Los Arcos. Am Ortseingang eine kleine Hütte mit einem Getränkeautomaten, einem Pilgerbuch und einem Stadtplan. Ich raste kurz, kaufe ein herrlich kühles Mineralwasser und marschiere weiter in den Ort: ein wunderschönes Städtchen, mit einer prächtigen Kirche und alten Gemäuern. Ich sehe Leute, augenscheinlich Pilger aus allen Nationen ohne ihre Rucksäcke. Doch heute habe ich keinen Nerv, in ein Refugio zu gehen, sondern will draußen schlafen. Ich gehe ins Touristbüro, lasse von einer charmanten Dame meinen Pilgerpass abstempeln und mir erklären, wo ich gut und preiswert essen könne: Ich habe Hunger wie ein Wolf!
    Das Restaurant, das sie mir empfohlen hat, ist nicht weit entfernt, es geht eine Treppe hoch und ist urig eingerichtet. Eine hübsche Bedienung nimmt meinen Wunsch nach einem „menu peregrino“ entgegen und kommt erst einmal mit Brot, einer Karaffe Wasser und einer Literflasche Wein. Dann gibt es phantastische Maccaroni mit Muscheln und viel Knoblauch, herrliche Calamari am Spieß und zum Abschluss Melone. Nicht gerade bodenständig das Essen, aber reichlich und gut — und ich zahle dafür gerade mal 12,00 €. Die Bedienung hilft mir, die halbvolle

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