Lenke meine Fuesse Herr
bedeckt, es ist angenehm warm, doch nicht zu heiß. Die Kirche in Uterga ist abgeschlossen, vor Muruzábal eine Marienstatue, und im Ort selbst schließt mir eine freundliche Frau die Kirche auf. Herrlich! Das erste Mal sehe ich einen dieser riesigen wandhohen und -breiten spanischen Altäre, und nun weiß ich auch, wo das ganze Aztekengold geblieben ist! Ich möchte kaum aus der Stille und Kühle hinaus auf den Weg und nehme mir Zeit, zu danken und für alle zu bitten, die hier auf dem Weg sind — vorhin erst bin ich an einem Kreuz vorbeigekommen, das an einen Pilger erinnert, den der Camino hier überwältigt hat. Die Señora, die still an der Tür gewartet hat, bis ich wiederkam, rät mir wort- und gestenreich: unbedingt zur Eremitage von Eunate, nur vier Kilometer! Sie erklärt mir den Weg und ich finde ohne weiteres hin.
Als ich gerade darauf zulaufe, biegt eine bunte Schar Radfahrer von der Straße in den Säulenhof, der die achteckige Kirche umgibt, und als ich hinkomme, liest der Reiseleiter mit gut bayerischem Zungenschlag schon die Sage über die Entstehung des Portals vor: eine herrliche Schauergeschichte mit viel Zauberei, dem Teufel und einer großen Schlange. Die Gruppe kommt aus Murnau, ist mit dem Bus bis Pamplona gefahren und heute den ersten Tag unterwegs. Ich werde bestaunt wie ein Kalb mit zwei Köpfen, alle wollen meinen Rucksack heben, und als ich ihn schultere, fragt man sich, wie ich das so locker bringe. Ich freue mich selber, gut, das Gepäck ist einiges leichter geworden, doch ich habe den Eindruck, dass ich in diesen zwei Monaten, die ich jetzt schon unterwegs bin, ein gutes Stück stärker geworden bin.
Es fängt leicht an zu regnen, ich sattle ab und hole sicherheitshalber den Poncho raus, decke aber nur den Rucksack damit ab und spanne den Regenschirm auf. Ich habe mittlerweile den Dreh heraußen, beide Stöcke in einer Hand zu führen, wenn ich den Schirm halte. Ich stiefle los — nach fünf Minuten hört der Regen auf und ich packe alles wieder ein. Über Feldwege und Asphalt, an einem Picknickplatz vorbei, auf dem einige Spanier gerade das Mittagessen vorbereiten, folge ich der Markierung des Camino aragonés, der vom Somportpass her kommt, nach Obanos, wo er sich mit dem Camino francés von Roncesvalles her trifft.
Es ist ein viertel vor zwölf und mir ist nach einem Kaffee. Eine Bar hat offen, der Fernseher läuft: Direktübertragung aus Pamplona! Alles fiebert der Eröffnung entgegen, eine Gruppe Frauen mit roten Halstüchern oder Pullovern nimmt Platz und kurz vor zwölf bekommt jeder ein Glas Sekt, auch ich als völlig Fremder. Großer Jubel, als der Bürgermeister vom Balkon des Rathauses aus die Fiesta eröffnet — bin ich wirklich erst gestern auf diesem Platz gestanden? Die Stimmung ist herrlich! Nur ungern reiße ich mich um halb eins los, doch ich habe noch viel vor heute.
Vor der Kirche, deren Portal eine Kopie des Portals von Eunate ist — daher kommt auch die Legende — ein Gruppe Pilger, ein Mann und zwei Frauen. Ich trödle noch ein bisschen rum, doch als ich endlich losgehe, habe ich sie bald eingeholt. Es sind Italiener, ein Ehepaar mit Tochter — ganz nette Leute. Es geht hinab ins Tal, zwischen Gärten hindurch, eine ziemlich belebte Straße entlang und dann stehe ich vor dem Pilgerdenkmal von Puente de la Reina. Daneben ein Hotel mit einem Riesenbeet voll blühendem, duftendem Lavendel: Ich pflücke mir ein Sträußchen für meinen Hut und noch zwei, die ich an die Schulterriemen meines Rucksacks stecke. Puente de la Reina ist ein wunderschöner Ort, stelle ich fest, als ich zu Kirche und Albergue komme. Fast bin ich versucht, hier zu bleiben, doch ich fülle nur am Brunnen meine Wasserflaschen und mache mich frisch. Da sind auch die Italiener wieder. Ich gebe ihnen zum Trinken meinen Becher und schenke den Frauen jeweils eine Lavendelblüte. Die Mutter hat eine böse, aufgeplatzte Blase am Fuß und am anderen eine, die kurz davor ist und weiß nicht, damit umzugehen. Ich öffne die eine und lasse sie auslaufen, desinfiziere, lege Sprühverband und Pflaster drüber und gebe ihr zur Sicherheit noch zwei von meinen Blasenpflastern. Dann gehe ich weiter die Straße hinab, die zur Brücke führt. Der Ort ist lebendig und hat Atmosphäre — und ich finde ein Geschäft, in dem man mir eine Foto-CD brennt. Nun kann ich beide Speicherkarten wieder frei machen. Während die CD in Arbeit ist und der Fotograf mir freundlicherweise mit Papier und Tesafilm meinen
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