Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Wittenberg
Vom Netzwerk:
Pilgerpass „verlängert“, kommen auch die Italiener wieder und kaufen Ansichtskarten. Ich leiste mir einen Taschenführer für den Camino — eigentlich nur eine Auflistung von Strecke, Höhe und Unterkünften im Scheckkartenformat — und dann geht es weiter zur Brücke. Am diesseitigen Ufer unter der Brücke eine kleine Wiese, auf der ein paar Jungen versuchen, an die Blutpflaumen zu kommen, die auf einem Baum am Wasser locken. Mit meinem Stock biege ich einen Ast herab und die Kleinen plündern ihn mit einem fröhlichen: „Gracias peregrino!“ Auch ich bediene mich.
    Über die Brücke, noch mal fotografiert, und dann geht es erst einmal im Tal weiter. Doch bald beginnen die Schwierigkeiten: Umleitung wegen des Autobahnbaus und sakrisch bergauf! Ich komme ganz schön ins Schnaufen und Schwitzen! Endlich geht’s durch Mañera und dann liegt vor mir, malerisch auf einem Hügel thronend, Cirauqui. Ich wollte eigentlich weiter, doch als ich das Albergue parrochial sehe, besinne ich mich: Einkehr! Die Italiener sind da und zwei Amerikanerinnen, die ich von Zubiri her kennen — eine davon ist Jane aus New York. Zwei Spanier kehren ein und ein Kanadier, später noch eine Belgierin.

    Maria, die das Refugio führt, ist eine Seele von Mensch, herzlich und offen, und sie ist eine hervorragende Köchin! Um sieben gehen wir alle gemeinsam zur Messe. Der Priester ist ein handfester Kerl, der mit sonorer Stimme die Liturgie abspult, so schnell, dass ich kaum folgen kann. Ungewohnt der Gesang der Gemeinde während der Austeilung der Eucharistie.
    Nachher gleich gemeinsames Abendessen. Mir fällt ein, dass ich ein kaum angebrochenes Pfund Kaffee im Rucksack habe, noch aus Pomps ! Warum durch die Gegend schleppen? Ich schenke den Kaffee Maria, die sich kaum kriegt vor Freude — fast ist es mir peinlich!
    Heute Nacht schlafe ich so gut, dass mich auch die Schnarcher nicht stören.

Donnerstag, 7. Juli 2005
Cirauqui – Los Arcos 37 km

    Um fünf bin ich wach und fange leise an zu packen. Ich bin davon aufgewacht, dass meine „Pretiosentasche“, die neben meinem Kopf lag, samt meiner Brille durch die Lücke zwischen Bett und Wand einen Stock tiefer fiel — doch Jane unter mir wacht nicht einmal auf, als ich die Sachen wieder hole. Um sechs gibt es ein leises Frühstück und um halb sieben bin ich auf dem Weg. Es geht einen altertümlich gepflasterten Weg entlang, der plötzlich aufhört, unterbrochen von einer Brücke, deren Auflage verschwunden ist: Eine Römerstraße und -brücke im Originalzustand, 2000 Jahre alt! Über den Berg, unter dem großen Aquädukt hindurch, Lorca (Kirche zu), Villatuerta (Kirche abgesperrt), und dann mit einer ganzen Karawane nach Estella.
    San Sepulchro ist von außen beeindruckend, vor allem das Portal, doch leider verschlossen. Die beiden Spanier aus dem Refugio in Cirauqui kommen — sie gehen geradeaus weiter, ich überquere die alte Pilgerbrücke zur Iglesia San Miguel. Auf dem Platz davor fremdartige Bäume mit Früchten wie Himbeeren — das können nur Maulbeerbäume sein. Eine Spanierin erntet eifrig und auch ich probiere — schmecken herrlich, aber der Saft färbt Mund und Hände, und wie! Ich habe zu tun, an einem Brunnen wieder sauber zu werden!
    Ich will gerade in die Kirche, da sehe ich, wie eine nette junge Dame einer Amerikanerin auf Englisch die Skulpturen des Tympanons und beiderseits der Eingangstüre erklärt. Sie holt den gewaltigen Kirchenschlüssel und so komme ich zu einer Gratisführung durch die Kirche, bei der ich sogar alles verstehe! Die Kirche mit ihren Schätzen, mit den goldenen Altären — eine Pracht, doch auch ein Ort, in dem ich mal Führung Führung sein lasse und bete.
    Ich überquere den Fluss wieder, um nach San Pedro zu gehen. Hier komme ich in eine Führung auf Spanisch — verstehe zwar wenig, doch ich komme so in den Kreuzgang, der sonst verschlossen wäre. Ulkig ist die verdrehte Doppelsäule, zum Nachdenken regt mich der halb verwitterte Grabstein des Kreuzritters an, ich staune im Inneren über die Säule neben der uralten Madonna: Drei Schlangen, geschuppt und ineinander zu einem Zopf verwoben, bilden den Säulenkörper! Wofür das wohl steht?

    Doch vorher, als ich den wunderbaren Raum betrete und die Orgel spielt — da überkommt es mich wieder einmal und die Tränen fließen.
    Ganz in der Nähe der Kirche ist das Touristenbüro — die nette Dame, die meinen Pilgerpass abstempelt, schenkt mir eine passende stabile Plastikhülle für das

Weitere Kostenlose Bücher