Lenke meine Fuesse Herr
Storchennester, die Vögel stehen auf den Verzierungen und Gesimsen, als wären sie selbst ein Teil des Baus. Ich gehe zurück in mein Hotelzimmer und stelle fest, dass die Störche keine fünfzig Meter vom Fenster entfernt nisten — und dass sie lustig klappern!
Spät am Abend noch einmal in die Stadt — ich durchstreife die Gassen auf der Suche nach etwas zu essen — doch die Restaurants sind recht teuer und von drei, vier „Tapas“ werde ich nicht satt. Schließlich genehmige ich mir in einem Schnellrestaurant in der Nähe der Kathedrale einen großen Salat, strolche noch einmal durchs Tapas-Viertel und gehe zurück ins Hotel. Es ist halb drei, als ich endlich trotz des Lärmes, den die Nachtbummler unter meinem Fenster veranstalten, einschlafe.
Samstag, 9. Juli 2005
Logroño Ruhetag
Ich gehe in die Stadt, lasse auf dem Postamt eine weitere CD brennen, komme an einen kleinen Outdoorshop und kaufe mir dort eine Halbliter-Trinkflasche, die ich mit ihrer Hülle am Bauchgurt des Rucksacks befestigen kann — nun muss ich zum Trinken nicht mehr absatteln! Ich fotografiere das große Pilgerdenkmal auf der anderen Seite des Ebro , setze mich ans Ufer und schreibe Tagebuch, während Pilger an mir vorbeiströmen. Mit Ausnahme der unmittelbaren Umgebung der großen Kirchen ist die Altstadt in erbarmungswürdigem Zustand! Ich komme am Refugio vorbei und bin froh, dass ich da nicht abgestiegen bin! Jakobuskirche mit dem Vorplatz, das Pilgerdenkmal am Stadttor, das quirlige Viertel um die Kathedrale, samt dem Park — all das ändert nichts daran, dass ich keinen Zugang zu Logroño finde. Ich gehe gegen Abend noch einmal in ein Schnellrestaurant, dann trinke ich noch eins in der Hotelbar, unterhalte mich mit ein paar norwegischen Touristen und einer tschechischen Geschäftsfrau, die mir ihre Karte gibt: Wenn ich in Santiago bin, soll ich ihr schreiben! Gegen zehn dann im Bett, doch kann ich lange nicht schlafen, stehe wieder auf, packe neu, sehe fern.
Sonntag, 10. Juli 2005
Logroño – Ventosa 21 km
Draußen vor dem Fenster war bis fünf Uhr high life, dann begannen die Störche mit ohrenbetäubendem Klappern. Ich habe kaum geschlafen. Um sechs Uhr checke ich aus und zahle, nehme mir — ich habe nicht gefrühstückt — aus der Schale an der Rezeption noch einen großen, schönen Apfel mit. Ich habe Stiche im Magen und hoffe, dass sie vergehen, wenn ich etwas esse. Ich hole eine Deutsche ein, die mich um Rat fragt, wie sie ihre Teleskopstöcke einstellen soll. Gemeinsam gehen wir durch die Vorstadt, kommen an einen Park, an dem wir erst einmal falsch gehen, aber den Weg bald wieder finden. Ich verabschiede mich von der Frau und ziehe davon. Wo mein Führer von Schutthalden spricht, ist inzwischen ein Naherholungsgebiet entstanden. Ich raste auf dem Brückengeländer am Stausee und will den Apfel aus dem Hotel essen, doch nach dem ersten Biss werfe ich ihn angeekelt in die Büsche: Einen halben Zentimeter unter der Schale ist er durch und durch faul! Weiter, Stiche im Magen!
Am See entlang. Als der Weg ihn verlässt, sitzt auf einer Picknickbank Marcellino el Peregrino. Er bewirtet die vorbeikommenden Pilger mit Keksen und Obst, stempelt ihre Pilgerpässe und schenkt ihnen Talismane: Steine mit der „Flecha“, dem gelben Pfeil, der den Camino deutlicher markiert als alle Muscheln, und Haselnüsse mit der Aufschrift „Camino de Santiago 2005“ Als ich ihm meinen Leporellopilgerpass zeige, mit den fortlaufenden Stempeln von Deutschland bis hierher, springt er auf, umarmt mich heftig und bittet lautstark und wortreich den Segen Gottes, der Madonna und des heiligen Jakobus auf mich herab. Ich esse vorsichtig ein, zwei Kekse und eine Aprikose — vielleicht hilft das gegen die Stiche im Magen? Marcellino erzählt von seinem diesjährigen Pilgermarsch nach Le Puy und ist stolz darauf, dass er als erster Pilger des Jahres die Heilige Pforte öffnen durfte. Eine ganze Pilgertraube hat sich um ihn versammelt, auch die Deutsche ist wieder da — ich kann mich kaum losreißen, doch ich muss weiter.
Stiche im Magen, als es den Berg hinauf geht. Oben ein ganzes Feld voller liebevoll aufgeschichteter Steinmännchen. Navarrete — keine Erinnerung, nur an eine Bar, in der ich frühstücke und hoffe, dass sich jetzt mein Magen beruhigt. Aus der Stadt hinaus, am Friedhof vorbei: Ich lese die Gedenktafel für die junge Belgierin, die hier auf dem Camino ums Leben kam und breche in Tränen aus.
Weiter, die Magenschmerzen
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