Lenke meine Fuesse Herr
für die Stöcke der Pilger, die sich früher bemühten, den Tieren ein Federchen abzuschlagen: Das sollte gegen alle möglichen Krankheiten helfen. Während ich noch hinaufschaue, besteigt der Hahn unter großem Gegacker die Henne und ich schmunzle: Sex in der Kirche, aber so was!
Weiter. Hinaus aus dem Ort, über die Brücke, die San Domingo gebaut hat, die N 120 entlang. Es kommt ein großes Pilgerkreuz, dann wieder Feldweg. In Granön eine wunderschöne Herberge, parrochial, also der Kirchengemeinde zugehörig, augenscheinlich von der Fränkischen Jakobusgesellschaft gesponsert, an die Kirche angebaut: Von der Treppe zum Aufenthaltsraum führt eine Tür direkt auf die Empore. Es gibt hier nicht die üblichen Stockbetten, sondern ein Matratzenlager — mal was anderes!
Nach dem gemeinsamen Abendessen noch eine Andacht auf der Empore — sehr schön, und als alle gegangen sind ist mir nach Singen: Ich trete bis an die Brüstung und singe mein Pilgerlied dem schwach beleuchteten goldenen Altar. Als ich mich umdrehe, drängen sich die Zuhörer im Eingang.
Mit der Schwedin Eva führe ich ein langes Gespräch über den Jakobsweg und lade sie ein, bei mir zuhause vorbeizuschauen, wenn sie tatsächlich den Europäischen Weg gehen sollte — in Deutschland ist er ab Görlitz schon lückenlos markiert. Um halb elf ist dann Nachtruhe und ich schlafe sehr gut.
Dienstag, 12. Juli 2005
Grañón – Tosantos 26 km
Gestern hatte ich verstanden, vor sieben gäbe es kein Frühstück — doch da war ich wohl der Einzige: Ab halb sechs war Leben in der Bude und um sechs saß alles um den großen Esstisch, mich eingeschlossen. Um halb sieben dann auf den Weg — vorher im Laden noch einen Stempel geholt — da waren schon die ersten Pilger aus Santo Domingo! Man kann’s auch übertreiben! Irgendwie müssen meine Vorderleute auf eine alte Markierung gekommen sein: Es geht über die N 120, die große Nationalstraße, mein Führer sagt was anderes, doch auf den ist kein Verlass, und nach ein paar hundert Metern kommt uns schon die ganze Kavalkade wieder entgegen: „Wrong way!“ Eva ist dabei — ich schreibe ihr noch mein Pilgerlied auf — sie möchte das in ihre Muttersprache übersetzen — und sie verspricht mir hoch und heilig, bei mir vorbeizuschauen, wenn sie nächstes Jahr wirklich nach Rom pilgern wird.
Ein Stück die N 120 entlang, dann finde ich einen Feldweg, der hoch auf den Kamm führt, wo die große Karawane unterwegs ist. An der Straße unten ein großes Schild: Ich überschreite die Grenze zwischen Rioja und Kastilien. Und das erste Haus kurz hinter der Grenze ist ein „Club“ mit viel rosaroter Neonreklame und einem großen Parkplatz...
Heute ist das Laufen nicht so einfach, am rechten Fuß schmerzt der vierte Zeh, ist irgendwie weich geworden und ich nehme mir vor: ab morgen wieder Sandalen! In jedem Dorf fülle ich meine kleine Flasche auf; den Tee in der großen möchte ich mir fürs Abendpicknick aufheben, denn ich möchte heute noch auf den Berg hinter Villafranca und dann im Wald schlafen. Es wird drückend heiß. In Belorado schwatze ich mit zwei Deutschen, die hier Etappenziel machen — zu früh für meinen Geschmack. Es geht wieder endlos die N 120 entlang; mein Fuß wird immer schlimmer.
In Tosantos stehe ich vor dem Schild: „Albergue 100 m“ und überlege noch, als ein Schweizer Ehepaar mit ihrer spanischen Freundin daherkommt und sagt, die Herberge sei sehr gut. Schon überredet! Duschen, Wäsche und Stiefel waschen, Mittagessen: viel Salat!
Manuela, die Schweizerin, erzählt anscheinend von meinem Pilgerlied — und so muss ich es gemeinsam mit einem Spanier auf dem Umweg über eine englische Version ins Spanische übersetzen. Ich werde es heute Abend nach der Komplet singen. Nach dem Essen probe ich mit den Helfern des Refugio — es wird ehrenamtlich von Mitgliedern der Kirchengemeinde gemanagt — die Gesänge von Komplet und Laudes. Ich genieße das — und auch den langen, erholsamen Nachmittag! Um sechs Uhr Führung zur Virgen de la Pena. Die Madonna steht nur im Sommer oben in der Höhlenkirche, im Winter holt man sie in feierlichem Zug in die Dorfkirche; vor der steht „der älteste Baum Spaniens“! Oben in der Kapelle bittet man mich, das Pilgerlied zu singen, und als wir anschließend die Dorfkirche ansehen — uns wird extra aufgeschlossen — singe ich es dort noch einmal. Das Abendessen — gemeinsam zubereitet — ist sehr gut, fast zu reichlich.
Dann die Andacht, mit
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