Lennox 02 - Lennox Rückkehr
Stahl zurück wie einen Vorhang und kroch durch das lange, ungemähte Gras.
An der Innenseite folgte ich dem Zaun. Ich hielt mich geduckt, weil ich von der Straße aus noch immer zu sehen war, bis ich die Nissenhütten erreichte. Hier stand nur eine einzige Laterne, sodass die Hütten sich düster abzeichneten, ohne sich groß voneinander zu unterscheiden. Ich wollte die Fahrradlampe nicht im Freien benutzen; deshalb brauchte ich fünf Minuten, um das Schild von Barnier und Clement zu finden. Die Vordertür war stabil, aber es war mehr ein Büro als ein Lagerhaus, und das Vorhängeschloss an der Tür hielt dem Brecheisen nicht lange stand. Ich fing das Schloss auf, damit es nicht auf den Boden klapperte, und schob mich ins Innere der Hütte.
Normalerweise hätte ich das Licht eingeschaltet: Ein vollständig beleuchteter Raum erregt weniger Aufmerksamkeit als ein huschender Taschenlampenkegel, aber hier im Dunkel der Lagerhauszone wäre ein Licht so unauffällig gewesen wie ein Leuchtturm in einer sternenklaren Nacht.
Das Büro sah noch genauso aus wie vor ein paar Tagen, als ich vorbeigekommen war und gebeten hatte, Barnier sprechen zu dürfen. Ich ging zu den Aktenschränken und sprach ein kurzes Gebet der Anerkennung für Miss Minto. Ihr Ablagesystem war peinlich genau und dennoch leicht zu durchschauen. Ich brauchte nur zwanzig Minuten, bis ich fand, was ich suchte: die Frachtliste eines Schiffes und Durchschläge des Schadensmeldungsformulars eines Schiffsversicherers mit einem Stempel des Lloyd’s Registers.
Ich lächelte. Eine Schadensmeldung einzureichen war das Letzte, was Barnier gewollt hätte, aber er musste es tun, um den Anschein eines legalen Geschäfts zu wahren.
Ich legte die Frachtliste auf den Schreibtisch und beleuchtete sie mit der Fahrradlampe, während ich mit dem Finger die einzelnen Posten durchging. Da stand es, so fett und unschuldig, wie es nur ging:
33a.) 12 JADEFIGUREN, VIET. KY LAN, NEPHRIT. IN KISTE. EMPFÄNGER: SANTORNO ANTIQUES AND CURIOS, GREENWICH, NEW YORK, NEW YORK
Nur dass es jetzt nur noch elf waren. KY LAN. Als ich zum ersten Mal ohne Termin hier gewesen war, hatte Miss Minto geglaubt, ich sei wegen des »Kielan« gekommen. Und Chinesisch war das Ganze auch nicht. Es handelte sich um Ky lan, nicht um chinesischen Qilin. Sie waren vietnamesisch, aus Französisch-Indochina. Alain Barnier war ein bekannter Importeur fernöstlicher Kunst – genau das Glied, das John Largo für seine Versorgungskette brauchte. Nur war Barnier ein schwaches Glied. Ich nahm Notizblock und Bleistift aus der Tasche und schrieb mir die Einzelheiten auf, legte alle Papiere zurück in die Akten und alle Akten wieder in den Schrank.
Von draußen hörte ich ein Geräusch.
Ich machte die Fahrradlampe aus, huschte unter der Empfangstheke hindurch zur Tür und zog den Schlagstock. Neben der Tür war ein kleines Fenster; den Rücken an die Wand gepresst, warf ich einen Blick hindurch. Ich sah einen Wachmann, der die Lichtpfütze des Laternenpfahls durchquerte und dann außer Sicht verschwand. Ich wartete ein paar Minuten und verrenkte mir bei dem Versuch, aus dem Fenster zu blicken, beinahe den Hals, bis ich beschloss, den Schlagstock wieder in die Tasche zu stecken, zu den Akten zurückzukehren und die Lampe wieder einzuschalten.
Barnier war meine Fahrkarte zu Largo. Wenn ich den Franzosen im Auge behielt, bestand die Chance, dass er mich zu Largo führte. Oder mich wenigstens einen Schritt näherbrachte. Ich brauchte seine Adresse.
Wieder dankte ich im Stillen der unscheinbaren, unfreundlichen Miss Minto, die den sexuellen und gesellschaftlichen Frust einer alten Jungfer in fanatische Effizienz kanalisiert hatte. Ihr Adressbuch war nicht tabellarisch, es war überhaupt kein richtiges Adressbuch, sondern ein fest gebundenes Notizbuch, in das sie sämtliche wichtigen Kontaktadressen der Firma eingetragen hatte. Es war beeindruckend obsessiv: Nicht ein einziger Name fiel aus der streng alphabetischen Reihenfolge. Barnier wohnte ein Stück außerhalb der Stadt auf der Greenock Road in Langbank. Er hatte Telefon, und ich schrieb mir die Adresse und die Rufnummer auf. Ich musste mir eingestehen, dass ich auf den geheimnisvollen Monsieur Clement neugierig war. Nachdem ich die Adresse der französischen Niederlassung von Barnier et Clement auf dem Cours Lieutaud in Marseille gefunden hatte, schlug ich den Namen Clement nach: Claude Clement wohnte in einer Ortschaft namens Allauch. Ich notierte mir beide
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