Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
Strachan gezeugt hat. Ich fand später heraus, dass meine Ma als junges Mädchen eine heiße Braut gewesen ist. Und Strachan hatte immer ein Auge für die Damenwelt. Sie haben was miteinander, und plötzlich hat sie einen Braten in der Röhre. Sie setzt mich aus, kaum dass ich geboren bin, und ich wachse im Waisenhaus auf. Dort lerne ich, dass man entweder ganz oben ist oder ein Nichts. Ich brauche eine Ewigkeit, bis ich erst meine Ma und dann Gentleman Joe finde. Zu unserem Vater-Sohn-Treffen bringe ich ein Stück Bleirohr mit, aber dann kommt es ganz merkwürdig anders. Er hat fast geheult, als ich ihm sage, dass ich sein Sohn bin. Er hat bloß die Zwillingstöchter und ist ganz besessen von dem dämlichen Gedanken, er habe ein Erbe weiterzugeben. Er braucht einen Sohn, der sein Imperium erben soll. Also ja, ich bin der ›Junge‹. Nur nannte er mich nicht so, weil ich sein Lehrjunge war, sondern weil ich sein Sohn bin. Als ich Ihnen sagte, dass ich sein kleines Imperium übernommen hätte, war das die Wahrheit. Ich habe das Erbe meines Vaters angetreten.«
Ich erhob mich unter Schmerzen und rieb mir die Handgelenke. »Lassen Sie mich raten«, sagte ich. »Sie werden mir jetzt sagen, dass ich sonst auch überall falschlag.«
»Woher wissen Sie das?«
»Na, alles scheint zusammenzupassen: Sie weisen Dunbar an, mir eine Geschichte zu erzählen, er hätte Strachan im Krieg gesehen … eine Nebelkerze. Dann heuern Sie einen Excommando an, um mich zu warnen, und als das nichts bewirkt, befehlen Sie ihm, mich umzubringen. Aber etwas passt da nicht hinein.«
»Was denn?«
»Ihre alte Messernarbe. Ein unveränderliches Kennzeichen, könnte man sagen. Da gibt es einen ängstlichen kleinen Schwulen namens Paul Downey, der auf schmutzige Fotografien spezialisiert ist. Er wird überredet, einen Erpresserauftrag zu übernehmen, damit er einen Kredithai ausbezahlen kann, als plötzlich ein Ritter im schimmernden Bentley auftaucht und ihm einen simplen Job anbietet, dem Anschein nach nichts Illegales, für den er unverhältnismäßig viel Geld bekommen soll. Dieser reiche Ritter nennt sich ›Mr. Paisley‹ und ist sehr gut gekleidet, hat aber eine Messernarbe auf der rechten Wange, so wie Sie. Übrigens, ich nehme an, den Gefallen an guter Kleidung haben Sie von Ihrem Vater geerbt. Sie sind also der ›Junge‹, und Sie sind auch ›Mr. Paisley‹?«
»Es ist Ihre Geschichte, Lennox. Nur weiter …«
»Also sind es diese beiden Umstände, und dazu die Tatsache, dass ich noch atme, die mir meine Theorien vermasseln. Warum sollten Sie jemanden bezahlen, damit er jemanden fotografiert, den wir alle für Strachan halten, wenn Sie mit Sicherheit wüssten, dass Strachan tot ist?«
Sneddon zückte ein goldenes Zigarettenetui und bot mir an. Ich nahm den Glimmstängel. Er gab uns beiden Feuer. »Und was glauben Sie jetzt?«
»Ich weiß nicht, wieso«, sagte ich, »aber Sie mussten sich selbst überzeugen, ob Joe Strachan tot ist oder nicht. Sie bekamen einen Tipp, dass er sich mit dem Herzog von Strathlorne auf dessen Gut treffen würde, und Sie wussten, dass Downey dort sein würde, weil Ihnen der Kredithai gehört und damit auch die Schuld, die Downey abzahlen musste. Sie wussten über den Plan, Macready zu erpressen, von vorn bis hinten Bescheid.«
Sneddon schüttelte den Kopf. »Das war eine idiotische Scheißidee. Sie wären damit niemals durchgekommen. Aber als ich hörte, dass sie ein Gartenhaus auf dem Gut benutzen würden, wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen.«
»Sie waren es, der George Meldrum sagte, er solle mich Fraser, dem Anwalt, empfehlen, stimmt’s?«
»Genau. Ich wusste, Sie würden es im Handumdrehen klären und übertrieben hoch bezahlt werden. Für mich war wichtig, dass die ganze Sache erledigt war, ehe jemand von den Fotografien erfuhr, für die ich Downey bezahlte.«
»Deshalb haben Sie sonst niemanden darauf angesetzt. Sie stecken nicht hinter dem Mord an Downeys Freund und dem Wohnungsbrand?«
»Nein. Damit konnte ich niemanden beauftragen, und für mich war es auch nicht wichtig, dass sie tot waren. Sie waren mein Mann in dem Fall, auch wenn Sie es zu der Zeit noch nicht wussten. Aber dann fingen Sie an, für die Zwillinge herauszufinden, wer Ihnen das Geld schickt. Sie haben sich die ganze Scheiße selber zuzuschreiben, Lennox. Geben Sie nicht mir die Schuld.«
»Das tue ich gar nicht. Ich bitte nur um ein paar klare Antworten.«
»Dann fragen Sie.
»Okay …« Ich griff in
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