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Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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Behinderung.
    Singer war stumm. Er war außerdem der brutalste, rücksichtsloseste Killer, mit dem man es zu tun bekommen konnte. Doch ich stand in seiner Schuld: Er hatte mir einmal das Leben gerettet, und soweit ich es sagen konnte, mochte er mich in gewisser Weise, genau wie Twinkletoes. Ich mochte Twinkletoes auch. Er legte großen Wert auf Weiterbildung und arbeitete unermüdlich an der Erweiterung seines Wortschatzes, indem er den Reader’s Digest verschlang. Das Komische daran war, dass Twinkletoes trotzdem Englisch, seine Muttersprache, sprach, als wäre es eine Fremdsprache.
    Dieses herzerwärmende Bild von Twinkletoes versuchte ich im Vordergrund meiner Gedanken zu halten, während er mich zu dem Jaguar führte, der hinter meinem Atlantic parkte. Die Alternative bestand in dem Bild des folterfreudigen Psychopathen, der einem zum Singsang eines Abzählreims die eigenen Zehen einzeln in die Hand drückt.
    Ich sah zu meinem Auto zurück. Ich hatte meinen Revolver im Kofferraum deponiert, ehe ich das Krankenhaus betrat.
    »Brauchen Sie noch etwas, Mr. Lennox?«, erkundigte sich Twinkletoes.
    »Nein …«, sagte ich nachdenklich. Ich musste wohl mit den Karten spielen, die mir ausgeteilt worden waren. »Nein, alles okay, Twinkle.«
    Singer fuhr, Twinkletoes saß neben mir im Fond, was bedeutete, dass ich in eine Ecke gequetscht wurde.
    »Arbeiten Sie immer noch viel für Mr. Sneddon, Twinkle?«, fragte ich beiläufig.
    »Oh konträr …«, erwiderte Twinkletoes. »Das ist übrigens Französisch für im Gegenteil … Mr. Sneddon befindet sich momentan in einem Prozess der kommersiellen Difersifirierung. Aber er findet immer wieder andere Sachen, die ich tun kann, und ich krieg auch immer noch mein volles Geld.«
    »Das ist gut«, sagte ich und hoffte, dass diese Fahrt in die Kategorie ›andere Sachen‹ fiel. Ich sah aus dem Fenster. Wir näherten uns dem Hafen. Vielleicht fuhren wir zu Sneddons Firmenbüro. Das wäre eine gute Sache. Wir bogen jedoch mehrmals in Richtung Kais ab und waren schon bald von den gedrungenen schwarzen Kolossen der Lagerhäuser umzingelt. Das war nicht so gut.
    Twinkletoes verfiel in Schweigen und hörte auf zu lächeln. Das war noch schlimmer. Wir hielten neben einem Lagerhaus vor einem Anbau, und Singer stieg aus, öffnete das Tor und fuhr hinein. Drinnen war es finster, und ich brauchte eine Weile, um mich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Twinkletoes stieg aus dem Wagen, kam auf meine Seite und zerrte mich am Arm aus dem Auto. Er führte mich an einigen leeren Büros vorbei durch eine Flügeltür und schließlich in die große Halle des eigentlichen Lagerhauses. Sie war völlig leer bis auf die schweren Stahlketten, die von der Decke hingen wie Schlingpflanzen im Dschungel, und einem einzelnen Bürostuhl aus Stahlrohr, der mitten auf dem Boden stand.
    Willie Sneddon, wie immer aus dem Ei gepellt, einen Kamelhaarmantel über die Schultern gelegt, saß auf dem Stuhl. Er nickte Twinkletoes zu, und ein Güterzug rammte meine Nieren.
    »Tut mir leid, Mr. Lennox«, sagte Twinkletoes aufrichtig, während ich mein Frühstück erbrach. Und meine Milz gleich mit. Vor meinen Augen tanzten gelbe Punkte, und ich bekam undeutlich mit, dass man mich über den Boden schleifte und mir etwas Kaltes, Hartes um die Handgelenke legte. Plötzlich wurde ich hochgerissen, und meine Füße lösten sich vom Boden. Ich brauchte einen, zwei Augenblicke, bis ich begriff, dass ich an einer der Ketten hing, die von der Decke baumelten. Blut lief mir den Arm hinunter zur Schulter. Ade, Wundnaht, dachte ich und zog in Erwägung, beim nächsten Mal gleich einen Reißverschluss einnähen zu lassen.
    Sneddon warf mit einer galanten Schulterbewegung den Kamelhaarmantel ab, stand auf und kam zu mir.
    »Das«, sagte er mit zorniger Stimme, »ist genau die Sorte Scheiße, die ich hinter mir lassen wollte.«
    »Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann, es hinter sich zu lassen«, keuchte ich durch die aufeinandergepressten Zähne, »dann lassen Sie es mich wissen.«
    »Und das«, sagte er verdrossen, »ist die Sorte von Bemerkung, die Sie zur Nervensäge macht.« Er nickte jemandem zu, der hinter mir stand und den ich nicht sehen konnte. Vermutlich Twinkletoes. Wieder traf mich ein Güterzug in den weichen Teil des Rückens. Ja, Twinkletoes.
    »Im Laufe der Jahre habe ich Ihnen viel Arbeit gegeben, Lennox. Ich weiß, dass Sie es für unter Ihrer Würde halten, weiter für mich oder Cohen oder Murphy zu arbeiten, aber

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