Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
waren es. Sie waren der ›Junge‹. Und Sie wissen alles über das Geld, das die Zwillinge jedes Jahr bekommen, weil Sie es verschicken, richtig?«
Ich grinste. Ich war ein kluger Kopf. Ich hatte alles herausgefunden, und deswegen musste ich zu ihm gehen und ihm brühwarm erzählen, was ich wusste. Ich war so klug, ich redete mich in ein frühes Grab. Sneddon rief nicht nach Twinkletoes. Er würde es selbst erledigen. Niemand durfte wissen, was ich wusste.
»Und was macht Sie da so sicher?«, fragte er gelassen.
»Ich bin zu Ihnen gekommen und habe Sie gefragt, wo ich Billy Dunbar finden könnte, und während unseres Gesprächs sagte ich Ihnen, dass ich Joe Strachans Verschwinden untersuche. Am folgenden Tag werde ich in einer nebligen Gasse von jemandem in die Mangel genommen, der von mir verlangt, dass ich die ganze Sache fallen lasse. Mein einziger Verdacht richtet sich gegen die Polizei – keine Sekunde lang hätte ich gedacht, Sie könnten dahinterstecken. Dann treffe ich Billy Dunbar, der mir ein kompliziertes Lügenmärchen erzählt, das vielleicht doch wahr sein könnte. Aber er erwähnt, dass Sie ihm die Arbeit als Jagdhüter verschafft haben, weil Sie von der freien Stelle wussten. Sie wussten davon, weil diese Stelle frei wurde, als der Jagdhüter über Sie, Strachan und die anderen stolperte, während Sie im Wald den Empire-Raub übten.«
Sneddon lachte. Ich hatte ihn noch nie lachen sehen. »Wissen Sie, Lennox, Sie sind mir wirklich einer. Sie wollen wohl um jeden Preis in die ewigen Jagdgründe eingehen, was?«
»Vielleicht finde ich da ein bisschen Frieden«, erwiderte ich. Das war kein Witz.
»Weiter«, sagte Sneddon.
»Ich vermute, Sie haben Strachan damals getötet, als Sie zum Hangar gingen, und Mike Murphy wahrscheinlich auch. Dann spürten Sie die anderen auf; das endete heute mit einer Bombe in Stewart Provans Auto. Aber zurück zu Dunbar – Sie und Billy Dunbar waren alte Kumpel, und Dunbar besaß keinen roten Heller. Sie dachten sich diese verrückte Geschichte von Strachan als Offizier aus. Sie wussten, dass ich herausfinden würde, wie gern Strachan gegen Ende des Ersten Weltkriegs in die Rolle eines Offiziers schlüpfte und dass er sich jederzeit und überall als einer ausgeben konnte. Es war so weit hergeholt, dass ich es schluckte. Inzwischen heuerten Sie einen ehemaligen Offizier der Commandos an, der mir Angst machen sollte, und als das nicht funktionierte, sollte er mich erledigen.«
»Sie halten sich für ein verdammt cleveres Kerlchen, was, Lennox?«, fragte Sneddon.
»Dazu habe ich mir gerade gratuliert.« Meine Stimme klang dumpf. Ich war erschöpft. Und ich wusste, dass ich sterben würde.
»Wieso schicken Sie den Mädchen das Geld, Sneddon?«, fragte ich. »Ich kann nicht glauben, dass Sie so etwas wie ein Gewissen haben. Das Geld zu schicken gefährdet Sie, also wieso?«
Er lächelte. Mir gefiel es nicht. Kein bisschen. Er trat hinter mich. Ich bekam es also ins Genick oder in den Hinterkopf. Ich blickte zu den Ketten hoch: Ich konnte nichts tun. Wenigstens würde es schnell gehen.
Plötzlich lag ich auf dem dreckigen Boden, und Ketten rasselten auf mich herab. Sneddon hatte die Rolle gelöst und mich freigelassen. Er ging um mich herum und baute sich vor mir auf. Dann steckte er die Pistole in die Tasche und setzte sich wieder auf den Stuhl. Twinkletoes brach durch die Fabriktür.
»Alles in Ordnung, Boss?«, fragte er und sah zu mir. »Ich hörte ’ne Kacko-foni-e.«
»Alles in Ordnung, Twinkle. Mr. Lennox und ich haben unser Missverständnis ausgeräumt. Du wartest draußen, ich komme gleich nach.«
»Das begreife ich nicht …«, sagte ich. Mir waren die klugen Sprüche ausgegangen. Ich löste vorsichtig die Ketten von meinen Handgelenken.
»Nein, ganz bestimmt nicht, Lennox. Sie hatten recht: Ich war wirklich der ›Junge‹. Joe Strachan hat mir alles beigebracht, was ich weiß.«
»Also waren Sie an den Triple-Crown-Rauben beteiligt?«
»Ein paar Sachen gebe ich ganz bestimmt nicht zu. Das ist endgültig vorbei. Sie ziehen Ihre eigenen Schlüsse. Aber eins lassen Sie sich gesagt sein, Lennox: Ich habe Joe Strachan nicht umgebracht. Richtig, ich schicke den Zwillingen jedes Jahr das Geld. Sie haben gefragt, wieso, und ich will es Ihnen sagen. Ich schicke ihnen das Geld, weil sie meine Halbschwestern sind.«
»Sie sind Strachans Sohn?«
»Ich habe ihn gesucht und gefunden. Ich rede mir keineswegs ein, dass ich der einzige uneheliche Sohn wäre, den
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