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Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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eines auf einer Privatschule erzogenen Offiziers derart überzeugend sein soll!«
    »Tja, und da liegen Sie falsch. Wie gesagt, deshalb nannten sie ihn ›Gentleman Joe‹. Er konnte von einer Sekunde auf die andere in eine neue Rolle schlüpfen. Sie sehen in ihm vielleicht den Affen aus Gorbals, aber er war zumindest ein schlaues Tier. Er ahmte nicht nur den Akzent nach, er wusste, worauf es ankam. Die Schule mag er mit dreizehn verlassen haben, aber jeder kannte ihn als cleveren kleinen Bastard. Wenn er nicht gerade einem Bankkassierer eine Schrotflinte an die Stirn drückte, steckte er seine Nase in Bücher. Er war besessen davon, Dinge zu wissen. Es heißt, dass er deswegen den Offizier so gut spielte. Er konnte die richtigen Dinge zum richtigen Zeitpunkt sagen. Das Gerücht behauptet, er hätte den Hochstapler Percy Toplis kennengelernt, und angeblich stammte die Idee, in die Rolle eines Offiziers zu schlüpfen, von ihm.«
    »Anscheinend wissen Sie eine Menge über Strachans Leben, Jock.«
    »Bei den älteren Kollegen ist er fast legendär. Ich glaube, sie brachten ihm sogar einen gewissen widerwilligen Respekt entgegen, Sie kennen diesen Scheiß. Aber alles ging den Bach runter, als dieser Constable niedergeschossen wurde. Wenn man ein Glasgower Bulle ist, ist es kein Problem, eine Menge über Strachan zu erfahren. Außerdem liegt mir Superintendent McNab ununterbrochen in den Ohren, seit diese Knochen ausgebuddelt wurden.«
    Ich dachte kurz über McNabs persönliches Interesse an Strachan nach. Ich müsste mir große Mühe geben, ihm bei meinen Ermittlungen aus dem Weg zu gehen, so wie ein Lotsenfisch immer darauf achtet, dem Hai nicht vors Maul zu geraten.
    »Wenn Strachan ein Deserteur war, wieso kam er dann nicht vor ein Erschießungskommando?«, fragte ich.
    »Das weiß ich nicht genau, aber ich nehme an, er hat sich herausgeredet. Darin war er Meister. Und die Chancen standen gut: Über dreitausend Mann wurden zum Tode verurteilt, aber nur ungefähr dreihundert wurden wirklich erschossen.«
    Ich nickte langsam, während ich verarbeitete, was ich gehört hatte. Im Ersten Weltkrieg war Großbritannien fast genauso erpicht darauf gewesen, eigene Soldaten zu töten wie feindliche. Die meisten von denen, die an einen Pfahl gebunden und hingerichtet wurden, waren Männer mit einer ansonsten blütenweißen Dienstakte, deren Nerven ein gleichgültiges Oberkommando, das Kriegsneurose nicht als Krankheit anerkannte, zerrüttet und zerfetzt hatte. Viele andere waren einfach verängstigte Kinder, die ihr wahres Alter verschwiegen hatten, um König und Vaterland dienen zu dürfen. In einer der Sternstunden des Britischen Empires war ein »Feigling« hingerichtet worden, der gerade sechzehn geworden war.
    »Offenbar wurde damals gemunkelt«, fuhr Ferguson fort, »Strachan könnte dem Standgericht und dem Erschießungskommando eventuell dadurch entkommen sein, dass er sich freiwillig für die Spähtrupps gemeldet hat. Sie wissen schon, bei Nacht raus aus dem eigenen Schützengraben und durch den Schlamm kriechen, über die feindliche Aufstellung so viel herausbekommen, wie man kann, seine Stacheldrahtverhaue, Maschinengewehrnester und dergleichen. Vielleicht kamen seine Töchter deswegen auf die absurde Idee, er könnte ein Kriegsheld gewesen sein. Gefährlich war das Ganze mit Sicherheit, aber nachts auf dem Bauch liegend ist die Gefahr, sich eine Kugel einzufangen, trotzdem erheblich kleiner, als wenn man an einem Pfosten gefesselt vor dem Erschießungskommando steht. Ach, übrigens, waren Sie schon bei Billy Dunbar – dem Burschen, dessen Adresse ich Ihnen gegeben habe?«
    »Noch nicht.«
    »Nun, ich habe den Namen des Zeugen in Erfahrung gebracht, von dem wir sprachen. Der Fahrer. Aber aus ihm bekommen Sie nicht mehr viel raus.«
    »Ach, und wieso?«
    »Weil Rommel Ihnen zuvorgekommen ist. Wenn Sie den Fahrer finden wollen, müssen Sie in der Cyrenaika den Sand durchsieben. Eine deutsche Tretmine hat seinen Kopf nach Tobruk und seinen Arsch in Richtung Äquator geschleudert.«
    »Na toll. Trotzdem danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben. Da wäre noch etwas, Jock …«
    »Ach, wirklich, Sie brauchen tatsächlich noch etwas von mir? Wieso wundert mich das eigentlich nicht?«
    »Ich habe noch einen Namen, über den ich nichts weiß. Könnten Sie nachsehen, ob Sie etwas über einen gewissen Paul Downey haben? Ich glaube, er ist Schauspieler. Und Teilzeitfotograf.«
    »Warum nicht, zum Teufel? Ich habe ja nichts

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