Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
wo ich anfangen kann.«
    »Nun, ich glaube, Williamson war ein Kriegskamerad von Joe Strachan. In Weltkrieg Nummer eins, meine ich.« Ich hatte kaum den Satz beendet, als ich am anderen Ende der Leitung etwas hörte, das so selten war wie ein Klosett mit Wasserspülung in Dennistoun: Ferguson lachte.
    »Was ist daran so komisch?«
    »Ein Kriegskamerad?«, fragte er. »Ist das die höfliche Art zu sagen, dass Williamson auch ein Deserteur war?«
    »Ich dachte, Strachan hätte eine lupenreine Dienstakte«, erwiderte ich. »Seine Tochter sagte, er war ein Kriegsheld.«
    Ich hörte noch mehr Gelächter. »Hören Sie, Lennox, wenn Strachan es darauf anlegte, konnte er jedem Menschen den größten Mist weismachen. Wissen Sie, wieso jeder ihn Gentleman Joe nannte?«
    »Ich habe gehört, er verstand sich zu kleiden und wusste die feineren Dinge des Lebens zu schätzen. Aber wenn man aus Gorbals kommt, dann gehört dazu wahrscheinlich auch schon Klopapier, das keine Schlagzeilen auf dem Hintern zurücklässt.«
    »Joe Strachan hat sich nicht besonders modisch gekleidet, Lennox. Er kleidete sich gut. Er wusste genau, was er wann, wo und wie tragen musste. Wie Sie sagen, war er hundertprozentig Gorbals, aber er konnte sich als Mann aus jeder Gesellschaftsschicht ausgeben. Ob Sie es glauben oder nicht, wegen dieser Fähigkeit zog ihn die Kriminalpolizei für den Empire-Raub und die anderen hochkarätigen Überfälle überhaupt erst als Täter in Betracht.«
    »Ach? Wieso?«
    »Nur durch Zufall erwähnte eine Schalterangestellte, dass sie zwei Wochen vor dem Überfall auf die Bank einen großen, gut gekleideten, sich gewählt ausdrückenden Gentleman bedient habe. Er hatte eine Postanweisung einlösen wollen, aber sie erinnerte sich, dass er eine Menge Fragen stellte. Als man Zeugen der anderen Überfälle darauf ansprach, erinnerten sie sich, dass einige Wochen vor dem jeweiligen Überfall ein großer, gut gekleideter, sich gewählt ausdrückender Gentleman wegen irgendetwas vorgesprochen hatte.«
    »Passte die Beschreibung auf Strachan?«
    »Die Beschreibung war jedes Mal ein wenig anders, aber es gab genügend Gemeinsamkeiten. Das Ganze kam nur durch puren Zufall heraus: Niemand hatte die Verbindung hergestellt, weil Gentlemen in der Regel keine Raubüberfälle begehen. Und wissen Sie, wo Strachan diesen kleinen Partytrick gelernt hat? Gegen Ende des Ersten Weltkriegs in der Army.«
    »Er hat aktiv gedient?«, fragte ich. »Mir wurde gesagt, er hat sich als Fünfzehnjähriger freiwillig gemeldet …«
    Ferguson schnaubte. »Joseph Strachan meldete sich niemals freiwillig. Für den Großteil des Krieges war er zu jung, aber sie zogen ihn ein, als die Sache fast zu Ende war. Der letzte Schuss war jedoch noch nicht abgefeuert, und der junge Strachan legte echten Teamgeist an den Tag, indem er Urlaub nahm, ohne seine Vorgesetzten mit Formalitäten zu behelligen.«
    »Er ist also desertiert?«
    »Nicht nur das. Strachan hatte dieses Talent, Stimmen nachzuahmen, Akzente, Manierismen, solche Dinge eben …«
    »Worauf wollen Sie hinaus … ein Verlust fürs Varieté, ein Gewinn für den bewaffneten Raub?«
    Ferguson schwieg kurz, und ich konnte mir seine ungehaltene Miene vorstellen: Er war es nicht gewohnt, dass man ihn unterbrach. »Wie auch immer, er konnte sich als jedermann ausgeben. Jede Klasse, jede Nationalität: Schotte, Engländer, Waliser. Als er desertierte, verpisste er sich nicht nur und hielt sich versteckt, wie es die meisten anderen getan hätten. Oh nein, der junge Master Strachan ließ außerdem ein paar Offiziersuniformen mitgehen und gab sich als Lieutenant auf Urlaub aus. Er hat sie damit alle getäuscht. Sechs Wochen lang sammelte er fleißig Kasino- und Bordellrechnungen.«
    »Sechs Wochen? Ich bin überrascht, dass er so lange durchhielt. Sich mit einem nachgemachten Oberklassenakzent als Offizier auszugeben ist eine Sache, aber auf Dauer kommt es nicht nur auf die Sprechweise an, sondern auch auf das, was man über sich zu sagen hat.«
    »Klar … Sie kennen sich damit natürlich aus, Lennox.« Ferguson gab sich keine Mühe, seine Verachtung zu verbergen. »Sie sind Offizier gewesen und haben vorher eine feine Schule besucht … Was also meinen Sie? Dass Strachan sich rasch hätte verraten müssen, weil er das Besteck falsch benutzte oder am Porzellantässchen nicht den richtigen Finger abspreizte oder irgend so einen Mist?«
    »Ich kann einfach nicht glauben, dass ein Schläger aus Gorbals in der Rolle

Weitere Kostenlose Bücher