Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
weiter zu tun, als jeder Ihrer Launen sofort nachzugeben. Steht Downey auch mit der Strachan-Sache in Zusammenhang?«
»Nein. Nichts dergleichen«, sagte ich. »Ein ganz anderer Fall. Ein Junge, der in schlechte Gesellschaft geraten ist.«
»Und Sie sagen, er ist Schauspieler?«
»Das hat man mir gesagt. Oder ein Fotograf, oder beides.« Ich zuckte mit den Achseln.
»Okay, ich will sehen, was sich machen lässt. Aber ich warne Sie, Lennox, dafür sind Sie mir einiges schuldig. Wenn ich Sie nächstes Mal nach etwas frage, dann erwarte ich Antworten. Ohne Umschweife.«
»Abgemacht«, log ich überzeugend.
»Ach, und Lennox?«
»Ja?«
»In letzter Zeit haben Sie sich die Hände ausnahmsweise mal nicht schmutzig gemacht. Stecken Sie Ihren Riecher nicht wieder in die Scheiße; das bringt das Schlimmste in Ihnen hervor. Haben Sie verstanden, was ich sage?«
»Ich habe es verstanden, Jock«, sagte ich.
Und diesmal log ich nicht.
***
Meine letzte geschäftliche Besprechung mit Willie Sneddon hatte in einem Bordell mit angeschlossenem Boxring für Kämpfe ohne Handschuhe stattgefunden, das er gerade erstanden hatte. Er war recht kreativ, was die Kombination der Geschäftsfelder anging. Doch diesmal hatte er sich eine ganz andere Umgebung ausgesucht.
Die Büros von Paragon Importing and Distribution befanden sich in der Nähe des Queen’s Dock in einem gewaltigen Kommerzpalast aus roten Ziegelmauern, die vom Ruß zu einem matten Rostig-Schwarz umgefärbt worden waren. Solche Gebäude waren von den Viktorianern als Kathedralen des Handels errichtet worden und erinnerten mich an die gigantischen schmuckvollen Speicherhäuser, die ich nach Kriegsende in Hamburg gesehen hatte.
Das Büro war riesig und mit einem polierten exotischen Hartholz vertäfelt, bei dessen Anblick man dachte, es wäre billiger gewesen, die Wände mit Fünfpfundscheinen zu tapezieren. Sneddon saß hinter einem massigen Schreibtisch mit Einlegearbeit, den man auf dem Clyde als Flugzeugträger hätte vom Stapel laufen lassen können. Auf der Platte standen drei Telefone: ein schwarzes, ein elfenbeinfarbenes und ein rotes. Der Rest der Schreibtischgarnitur wirkte antik. In einer Ecke des Tisches türmte sich ein kleiner Bücherstapel, und auf der Schreibunterlage vor Sneddon lag ein Haufen Aktenhefter.
Sneddon trug einen teuren grauen Anzug mit Fischgrätmuster, ein Seidenhemd und einen burgunderroten Schlips. Ich hatte ihn noch nie in Kleidung gesehen, die nicht wirkte, als käme sie von der Savile Row. Willie Sneddon strahlte etwas aus, das einen sofort misstrauisch machte. Er war nicht besonders groß, aber stämmig, ohne schwer zu wirken: ganz Muskeln und Sehnen auf eine Art, bei der ich immer den Eindruck bekam, er wäre aus Schiffstauen geflochten worden. Das und die hässliche Falte einer Rasiermessernarbe auf der rechten Wange verrieten, dass er jemand war, der Gewalt als etwas Natürliches und Selbstverständliches betrachtete.
Ich fragte mich, was seine neuen Freunde aus der Oberklasse über die Messernarbe dachten.
»Sie soll der Blitz beim Scheißen treffen, Lennox! Was wollen Sie denn schon wieder?« In dem Bücherstapel auf seinem Schreibtisch fehlte offenbar noch Wie man Freunde gewinnt: Die Kunst, beliebt und einflussreich zu werden von Dale Carnegie.
»Es ist eine Weile her«, sagte ich und setzte mich, ohne auf seine Aufforderung zu warten. »Ihnen scheint es ja sehr gut zu gehen, Mr. Sneddon.«
Er starrte mich schweigend an. Seine Fähigkeit zum Plaudern ließ Jock Ferguson wie einen Schwätzer wirken.
»Ich hatte mich gefragt, ob Sie mir helfen können«, fuhr ich in ungetrübter Fröhlichkeit fort. »Sie waren doch mit Billy Dunbar befreundet. Ich wollte Sie fragen, ob Sie wissen, wo ich ihn finden kann. Er scheint sich in Luft aufgelöst zu haben.«
»Billy Dunbar?« Sneddon sah mich finster an. »Woher zum Teufel soll ich das wissen? Seit über zehn Jahren hab ich von dem nichts mehr gehört. Billy Dunbar …« Er schwieg nachdenklich. »Was für einen Scheiß wollen Sie denn von Billy Dunbar?«
»Es ist nur eine Möglichkeit. Die Polizei hat ihn ’38 verhaftet und in die Mangel genommen. Wegen des Empire-Raubs. Ich wollte mit ihm darüber reden.«
In der kurzen Stille, die entstand, ehe Sneddon antwortete, legte sich ein Schatten auf sein Gesicht. Doch was auch immer es war, ich hatte nicht die Zeit, es zu deuten.
»Warum?«, fragte er. »Hat das was damit zu tun, dass Gentleman Joe Strachan am Grund des Clydes
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