Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
Sie achtgibt«, sagte er. »Wenn Sie jemand Verdächtigen in der Nähe des Hauses sehen, rufen Sie mich bitte sofort an.«
»Ich melde mich und gebe Ihnen eine Nummer, unter der Sie mich erreichen, sobald ich untergekommen bin«, fügte ich hinzu. Sie nickte steif. Ferguson und ich trugen die Koffer zu meinem Wagen.
***
Noch immer war es höllisch neblig. Vielleicht beschwerte man sich in der Hölle aber auch, es sei so neblig wie in Glasgow. Ich stellte meine Koffer in meinem Büro ab und setzte mich an den Schreibtisch, bis es dunkel wurde und ich das Licht einschalten musste. Die anderen Büros waren leer, ich rauchte eine halbe Schachtel Zigaretten und überlegte nicht zum ersten Mal, wie miserabel meine Lage war. Mein Gesicht schmerzte wie verrückt, wann immer ich es auch nur ganz leicht mit der Fingerspitze berührte, aber wie ich im Spiegel der breiten Klinge meines Brieföffners sehen konnte, war es noch immer nicht angeschwollen. Außer meinem Kreuz tat mir die Seite übelkeitserregend weh, aber auch das war kein Soloauftritt mehr: Alle Zerrungen und Prellungen von meinem Kampf im Smog sangen im Chor.
Der Nebel drückte sich an das Fenster, und ich hatte immer weniger Lust, mich auf der Suche nach einem Hotel noch einmal aus dem Büro zu trauen. Dann fiel mir ein, wie groß der zusätzliche Schmerz wäre, mit dem ich aufwachte, falls ich auf dem polierten Fußboden meines kleinen Arbeitszimmers übernachtete. Abgesehen davon sagte mir der Gedanke, meine Waschungen auf der Toilette vorzunehmen, die ich mit den vier anderen Büros auf meinem Stockwerk und der Etage darunter teilen musste, nicht besonders zu.
Einem Impuls folgend nahm ich den Telefonhörer ab. Ich war überrascht, dass die Person, nach der ich fragte, den Anruf entgegennahm.
»Hallo«, sagte ich und konnte die Müdigkeit in meiner Stimme nicht ganz kaschieren. »Lennox hier. Hören Sie, ich bin in meinem Büro auf der anderen Straßenseite. Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten … könnten Sie sich mit mir in zehn Minuten an der Hotelbar treffen?«
Und zu meiner noch größeren Überraschung willigte sie ein.
***
Leonora Bryson kam spät. Das war okay. Bei diesen Dingen galt eine gewisse Etikette: Eine Frau konnte sich nicht dabei beobachten lassen, wie sie in einer Bar auf einen Mann wartete. Das Warten hatte gefälligst der Mann zu übernehmen. Und Frauen wie Leonora Bryson wussten, dass jeder Mann auf sie warten würde, und zwar so lange, wie sie es wollte.
Als sie die Bar des Central Hotels betrat, trug sie wieder einen Rock mit passender Jacke, darunter eine hellblaue Bluse. Bei den meisten Frauen hätte diese Garnitur altbacken gewirkt, doch an ihr sah sie atemberaubender aus als ein Bikini an Marilyn Monroe. Als sie hereinkam, erntete sie jedenfalls genügend Aufmerksamkeit, und ich hätte schwören können, die Marmorbüste in der Ecke keuchte auf. Ich wartete an der Theke auf sie und schlug vor, dass wir uns an einen Tisch setzten. Ich fragte sie, was sie gern zu trinken hätte. Mich überraschte nicht, dass sie einen Daiquiri bestellte, aber ich kam nicht aus dem Staunen, als der Glasgower Barmixer wusste, wie man einen macht.
»Sie sehen aus, als wären Sie im Krieg gewesen, Mr. Lennox«, sagte sie und wies mit einer leichten Neigung ihres Daiquiri-Glases auf meinen Verband. In ihrer Stimme lag nicht die gleiche Frostigkeit wie bei unserer ersten Begegnung, aber auch keinerlei Wärme.
»Das? Ja, wirklich eine dumme Sache … Ich hatte im Smog einen Zusammenstoß.« Ich unterließ zu erklären, dass ich gegen die von einer eisenharten Faust gehaltenen Pistole geprallt war.
»Ja, ich weiß …«, sagte sie plötzlich lebhafter. »In San Francisco habe ich oft üblen Smog erlebt, aber das hier ist unglaublich. Ich meine, er ist nicht nur dicht, er hat einen Grünstich!«
»Er wird eigens für die Touristen eingefärbt. San Francisco … stammen Sie daher?«
»Nein, ich bin ursprünglich von der Ostküste. Aus Connecticut.«
»Dann sind Sie erheblich näher an meiner Heimatstadt aufgewachsen als an Hollywood. Ich bin in New Brunswick groß geworden.«
»Wirklich?«, erwiderte sie mit so winzigem Interesse, dass man das Hale-Teleskop des Palomar-Observatoriums auf maximale Vergrößerung hätte stellen müssen, um es zu entdecken. »Worüber wollten Sie mit mir sprechen, Mr. Lennox?«
»Ich suche etwas, wo ich schlafen kann heute Nacht …«
Die letzte Silbe hatte noch nicht Form angenommen, als die Temperatur um
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