Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
sich regelmäßig in Offiziersuniform von der Truppe und verstand es ziemlich gut, sich als Offizier auszugeben. Sie wissen selbst, dass er sich wahrscheinlich als Angehöriger der Oberschicht ausgab, um die Örtlichkeit jedes einzelnen seiner großen Raubüberfälle zu erkunden. Strachan in einer Offiziersuniform zu sehen ist daher gar nicht so abwegig.«
»Aber Sie sagten, er war in Lochailort. Auf keinen Fall hätte sich irgendjemand, auch Strachan nicht, dort hineinschummeln können, ohne die richtigen Papiere zu haben und ohne dass die anderen genau wussten, wer er war und zu welcher Einheit er gehörte.«
»Genau da stecke ich fest. Und da könnten wir ein kleines Eine-Hand-wäscht-die-andere veranstalten. Ich komme nicht an solche Informationen ran – Sie schon.«
»Ich weiß nicht, Lennox. Auch die Glasgower Polizei stößt rasch an ihre Grenzen, wenn sie etwas aus dem Militär herausholen will. Besonders wenn es um Dinge wie Lochailort geht, die noch immer der Geheimhaltung unterliegen.«
»Sie haben eine größere Chance als ich.«
»Und was bekomme ich dafür?«
»Einen Anruf. Falls ich herausfinde, dass Strachan lebt, und falls ich mitbekomme, wo er sich versteckt hält, dann werfe ich ein paar Pennys in ein Münztelefon. Wahrscheinlich nehmen Sie es mir nicht ab, aber ich habe meine Klientinnen schon gewarnt: Sollte ich herausfinden, dass Strachan lebt, müsste ich meiner Bürgerpflicht nachgehen.«
»Sorgen Sie nur dafür, dass da niemand fünf Minuten Vorsprung hat, Lennox. Sonst könnte es mit unserer neuen Geselligkeit ganz schnell wieder vorbei sein.« Wie um seine Entschlossenheit noch einmal hervorzuheben, schob mir McNab mit zwei Fingern den Umschlag wieder zu. Ich schob ihn zurück.
»Wie gesagt, Mr. McNab, Bürgerpflicht. Behalten Sie Ihr Geld.«
McNab hielt einen Augenblick inne, als schätzte er mich neu ein, dann zuckte er mit den Schultern und steckte im Aufstehen das Kuvert in seine Manteltasche zurück.
»Darf ich Ihr Telefon benutzen?«, fragte er, doch da hatte er es schon zu sich herumgedreht und den Hörer abgenommen.
»Hier Superintendent McNab«, sagte er nach kurzem Warten. »Ich melde mich ab. Noch irgendwas, ehe ich nach Hause fahre?«
Als er die Antwort hörte, seufzte er, dann zückte er sein Notizbuch und schrieb hinein.
»Die Gottlosen geben wohl keinen Frieden«, sagte ich, nachdem er aufgelegt hatte.
»Ich muss los«, sagte er. »Es hat einen Mord gegeben. Irgend so eine Schwulette in Govanhill.«
11
Nachdem McNab gegangen war, versuchte ich erfolglos, Jock Ferguson zu erreichen. Er sei im Dienst, sagte der Reviersergeant, der meinen Anruf entgegennahm, aber unterwegs.
Ich versuchte mir einzureden, dass es natürlich reiner Zufall sein konnte. Aber wie viele »Schwuletten«, wie McNab sich auszudrücken beliebte, konnte es in Govanhill geben? Und genau wie Glasgower Busse neigten Zufälle ja dazu, entweder gar nicht oder gleich in einer ganzen Kolonne aufzutauchen. Vielleicht war Jock Ferguson ja auch nicht zu Downey, sondern zu einem anderen Fall gerufen worden. Aber es gelang mir nicht, die Szene aus dem Kopf zu bekommen, in der Jock Ferguson vor der Leiche stand und ihm just in dem Augenblick, in dem McNab ankam, plötzlich einfiel, dass der Name des Verstorbenen zu den Namen gehörte, die er für mich hatte überprüfen sollen.
Ich beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen und zu dem Haus hinüberzufahren. Unterwegs müsste ich mir genau überlegen, wie ich mein Interesse erklären wollte, ohne diverse Hollywoodstars und randständige Mitglieder des Königshauses hineinzuziehen. Ich hatte gerade den Mantel übergezogen und den Hut aufgesetzt, als ich mich besann: Es war nicht Paul Downeys Wohnung; auf dem Klingelschild stand Frank, der muskelbepackte Bademeister. Vielleicht war er es, den man ermordet hatte, und das bedeutete, dass ich noch etwas Zeit hatte, ehe die Plattfüße die Spur zu jemandem namens Paul Downey gefunden hatten. Doch auch wenn die Kripo nur im Schneckentempo vorankam, am Ende würde sie die Verbindung zwischen Frank und Downey herstellen. Und dann würde es nicht lange dauern, bis Jock Ferguson in der Lage war, eins und eins zusammenzuzählen und mich einzukassieren.
Ausnahmsweise war ich dankbar für den Smog. Er war zurückgekehrt, und ich beschloss, mit der U-Bahn nach Kinning Park zu fahren. Das letzte Stück ging ich zu Fuß. Ich marschierte an der Straße, in der Frank wohnte, vorbei, aber der Nebel war so dicht,
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