Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
darauf, zum Hinsetzen aufgefordert zu werden, einfach zu den Dingen, die Detective Superintendent Willie McNab nicht tat.
Ich sagte mir, dass es am besten war, wenn ich ebenfalls Platz nahm. Ich zog es vor, wenn mich etwas Massives wie ein Schreibtisch oder ein Kontinent von McNab trennte. Ich sah zur Tür und wartete auf einen stämmigen Highlander in einem Burton-Anzug von der Stange, der nach McNab eintrat: Dienstgrade sorgten für Privilegien, und ein Superintendent prügelte nicht mehr selbst auf Verdächtige ein. Zu meiner Überraschung kam niemand.
»Diese Ehre verdanke ich …?«, fragte ich McNab.
»Sie wissen ganz genau, weshalb ich hier bin, also kommen Sie mir nicht damit.«
»Ich sag Ihnen was, Superintendent: Verraten Sie mir trotzdem, was Sie wünschen, nur damit von vornherein alles klar ist.«
»Sie haben Ihre Nase in den Strachan-Fall gesteckt. Mittlerweile sollten Sie wissen, dass ich alles erfahre, was in dieser Stadt vorgeht, und alles, was für mich von besonderem Interesse ist, erfahre ich schnell. Was haben Sie herausgefunden?«
»Nichts, was für die Polizei von Belang wäre«, wich ich aus.
»Für wen arbeiten Sie?«
»Tut mir leid, die Namen meiner Klienten behandele ich absolut vertraulich.«
»Aha, vertraulich.« McNab nickte weise, als sagte ihm das Konzept etwas. »Wissen Sie, weshalb Vertraulichkeit und Scheiße sich sehr ähneln?«
»Ich bin sicher, Sie werden mich aufklären.«
McNab erhob sich zu seiner vollen Größe, beugte sich über den Schreibtisch und parkte sein Gesicht dicht vor meinem.
»Vertraulichkeit ist Scheiße so ähnlich, weil wir Ihnen am St. Andrew’s Square beides aus dem Leib prügeln können.«
Ich fand es interessant, dass McNab und Hammer Murphy, obschon auf unterschiedlichen Seiten des Strafgesetzzaunes stehend, meine berufliche Ethik aus demselben Blickwinkel betrachteten.
»Soll ich Ihnen etwas verraten, McNab?«, entgegnete ich. »Das glaube ich nicht. Vor ein, zwei Jahren wären Sie damit vielleicht durchgekommen, aber ich spiele nicht mehr am schmutzigen Ende des Spielplatzes. Ich bin jetzt ein respektabler Geschäftsmann.«
»Glauben Sie?«
»Glaube ich. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb ich mir sicher bin, dass es nicht geschehen wird. Sie sind allein hergekommen, ohne triftigen Grund, um mich festzunehmen, also warum sagen Sie mir nicht, wieso Sie wirklich hier sind? Ich weiß, dass es mit Strachan zu tun hat, aber im Äther wabert noch irgendwas anderes.«
Obwohl ich mit großem Selbstbewusstsein gesprochen hatte, war ich überrascht, als McNab sich wieder setzte. Er nahm ein Päckchen Navy Cut heraus und zündete sich eine Zigarette an. Nach kurzem Überlegen hielt er mir das Päckchen hin.
»Nein, danke«, sagte ich, mehr, weil ich so verblüfft über das Angebot war, als aus irgendeinem anderen Grund. »Ich möchte morgen noch bei Stimme sein. Worum geht’s, Superintendent?«
Er nahm den Hut ab und warf ihn auf den Schreibtisch.
»Lennox, Sie und ich hatten unsere Momente. Ich mag Sie nicht, und Sie mögen mich nicht. Mir ist aber aufgefallen, dass Sie jedes Mal, wenn ich versucht habe, von Ihnen etwas zu erfahren, Prügel oder eine Zelle riskiert haben, indem Sie mir sagten, dass ich Sie mal kann. Ich nehme also an, Sie haben Ihre eigene Moral, ganz egal, wie verdreht die sein mag. Sie wissen, dass ich ausgegraben habe, was Sie in Deutschland nach dem Krieg gemacht haben. Den deutschen Schieber zum Beispiel, der mit dem Gesicht nach unten im Hafenbecken trieb. Der, von dem die Militärpolizei glaubte, er wäre Ihr Geschäftspartner gewesen …«
»Wollen Sie mit Ihrer Charakterstudie auf etwas Bestimmtes hinaus, McNab?«
»Mir ist egal, was in Hamburg passiert ist, aber mir ist nicht egal, was in Glasgow vor sich geht. Joseph Strachan hat Charlie Gourlay ermordet. Er hat ihn kaltblütig niedergeschossen, und ich möchte sehen, wie der Bastard dafür hängt.«
»Aber er ist tot, Superintendent. Offiziell tot.«
»Den Scheiß glauben Sie doch kein bisschen mehr als ich. Das war nicht Joe Strachan am Grund des Clydes. Ich kann es nicht beweisen, aber ich weiß es. Strachan war zu clever, um sich fassen zu lassen, und er war erst recht zu clever, als dass er sich von einem seiner eigenen Leute umlegen ließ.«
»Und wessen Knochen wurden dann hochgezogen?«
»Das weiß ich nicht. Aber Strachans waren es nicht, glauben Sie mir. Hören Sie, Lennox, ich bin seit fast dreißig Jahren Bulle in dieser Stadt. Ich
Weitere Kostenlose Bücher