Lenz, Siegfried
dorrte und gilbte und die Kulturen so matt waren wie nie zuvor. Kaum einer hätte gedacht, daß unter dem alten Exerzierplatz so ergiebige Wasseradern sind, nur Guntram Glaser ahnte es, er war erst kurz bei uns und roch es schon, im Unterschied zu Joachim, der das einfach nicht glauben wollte und dem Chef sogar ein paarmal riet, die Probebohrungen einstellen zu lassen und überhaupt auf die Beregnungsanlage zu verzichten. Obwohl Guntram Glaser noch nicht Betriebsleiter war, durfte er in der Festung wohnen, in anderthalb unbenutzten Räumen, an den Wochenenden durfte er auch am Familientisch essen, und alle hörten ihm gern zu, wenn er von den Quartieren in Elmshorn erzählte, wo er gearbeitet hatte, und von seinem sonderbaren Onkel da, über den allerlei Geschichten im Umlauf waren. Joachim hat oft zugehört, wenn Guntram Glaser erzählte, und oft genug hat er die Geschichten mit seinem Spott bedacht, aber Guntram Glaser hat es immer verstanden, das letzte Wort zu behalten und wie nebenher zu zeigen, daß er Joachim überlegen war. Durfte ich am Familientisch sitzen, dann war ich schon gespannt auf Guntram Glaser und auf das, was er erzählen würde; daß Joachim dann mitunter sehr früh aufstand und wegging, bedauerte außer Dorothea niemand.
Nachdem der Chef ihn eingewiesen hatte, wollte Guntram Glaser am liebsten allein in den Quartieren sein, so manches Mal schickte er den Mann fort, der ihm zugeteilt war, und wenn ich mich anbot, ein wenig mit ihm herumzugehen und ihm zu erzählen, wie alles zu Anfang bei uns war, dann lächelte er nur und sagte: Ich war noch vor euren Anfängen hier, Bruno; ich kenne dieses Land länger als ihr. Seine Hosen aus Khakistoff, seine dunklen Hemden. Er war so schmal und seine Hände so unverbraucht, daß man ihm auf dem Land nichts zutrauen mochte, aber die schwerste Schubkarre machte ihm nicht mehr Mühe als Ewaldsen oder mir. Sein kurzes, hellblondes Haar, das auch bei Wind glatt anlag. Seine schöne Armbanduhr, seine engen Augen, die jeden Blick aushielten, und seine Sicherheit, mit der er auf jede Frage antworten konnte. Daß er niemals schwitzte – selbst in dem heißen Sommer, als wir schon vom Bücken schweißnaß wurden, blieben sein Gesicht und sein schmaler Körper trocken, er pellte sich auch nicht aus seinem Zeug wie wir, sondern saß in Khakihose und dunklem Sporthemd auf einer Kiste und rauchte und sah rauchend zu, wie wir halbnackt durch den zerstäubenden Strahl seiner Beregnungsanlage flitzten. Wo er saß und ging und arbeitete, da rauchte er, und häufig sprach er auch mit der wippenden Zigarette zwischen den Lippen.
In einer Mittagspause, als wir uns im rotierenden Strahl erfrischten, kamen der Chef und Joachim vorbei, sie blieben stehen und guckten zu, wie wir uns gegenseitig in den Strahl schubsten, und nach einer Weile fragte Joachim, wann hier wohl Duschkabinen gebaut würden, und Guntram Glaser sagte: Es ist selbst geworbenes Wasser. Darauf sagte Joachim: Zur Erfrischung jedenfalls kann man es brauchen, und er wollte noch mehr sagen, aber der Chef forderte ihn durch eine Handbewegung auf, ruhig zu sein, und nickte Guntram Glaser zu und sagte zu ihm: Ich hab mir die Werte angesehen, bei der Düngung müssen wir daran denken, wieviel Kalium und Sulfate im Wasser sind, wir müssen das berücksichtigen. Ich hab den Plan bereits aufgestellt, sagte Guntram Glaser, und er sagte auch: Die Wirkung bei der chemischen Krautbekämpfung wird sich nun auch verbessern. Der Chef hat ihm nur kurz die Hand auf die Schulter gelegt und ist zufrieden weitergegangen, doch Joachim, der brachte keinen Gruß fertig, der ging mit abgewandtem Gesicht, gewiß konnte er sich nicht damit abfinden, daß der Chef soviel Anerkennung übrig hatte für Guntram Glaser. Auch wir merkten bald, daß man ihm nicht sehr viel vormachen konnte, manches machte er anders, aber was er einführte bei uns, das war gut, und wir konnten ihm allerhand absehen, das konnten wir.
Einmal in jenem heißen Sommer entdeckte ich ihn am Rand des feuchten Landes, ich stand auf aus dem Schatten der Mauer, ich ging zu ihm hin und sah, daß er dort stocherte und die ölig schimmernden Tümpel untersuchte, er stieß einen Stock in den Morast, drehte ihn etwas und beobachtete, wie schmutziges Wasser dicht am Stock emporstieg und bald eine Vertiefung füllte, die Vertiefung einer Hufspur. Den aufgeworfenen Modder backte sich die Sonne zurecht und ließ ihn verkrusten und platzen. Es roch faulig, Fliegen mit grüngoldenem
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