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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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ein paar Klapse links, rechts trafen mein Gesicht, dann zwei brennende Schläge, ich wurde hochgezogen, fortgezerrt, ohne zu wissen, wo ich war.
    Der Baum, ich saß mit dem Rücken gegen einen Baum gelehnt auf der Erde, und neben mir hockte Guntram Glaser und wischte mir übers Haar, wie es der Chef oft getan hat, und tätschelte meine Schulter. Von weither sagte er: Na, Bruno, endlich bist du wieder bei dir, und nach einer Weile fragte er, ob ich mir zutraute, allein nach Hause zu gehen, und ich sagte ja.
    Am nächsten Morgen wartete Ina, bis wir allein waren, dann kam sie zu mir und nahm wortlos meine Hand und untersuchte meine Finger, auf dem Zeigefinger waren nur einige rotblaue Punkte zu sehen, schwache Vertiefungen, mehr nicht. Sie nickte zufrieden. Sie sagte: Schade, Bruno, daß du den Film nicht zu Ende gesehen hast, denn er ist gut ausgegangen – dem Jungen ist nichts passiert, und der Mann hat zum Schluß eine Frau gerettet und wurde auf seine Art belohnt. Ach, Ina, zusammen sind wir nie mehr im Kino gewesen.
    Was die in der Festung wollten, das möchte ich gern mal wissen, vielleicht hat Elef wieder mal ein Bittgesuch abgegeben, vielleicht hat er sogar eine Einladung überbracht, Elef, der sich bei gewissen Gelegenheiten immer von seinen Leuten begleiten läßt, von Frau und Tochter und Fraus Schwester, im Geleitzug ziehen sie vorbei.
    Als Dorothea einmal beim Zahnarzt war, ist auch Elef dort erschienen, er hatte eine geschwollene Backe, sechs von seinen Leuten waren bei ihm und warteten geduldig vor dem Behandlungszimmer, bis sie ihn nach Hause bringen konnten.
    Beim Chef ist Licht, auch dort, wo die andern sitzen, brennt Licht, aus der Ferne kann man die Festung für ein erleuchtetes Schiff halten, das durch die Kulturen gleitet. Langsam kann ich mich fertigmachen. Nicht zu früh ja sagen und nicht zu früh nein. Vor allem zuhören. Und nicht so gebückt dastehen, hat Magda gesagt. Fragen stellen, wenn es sein muß, und die Antworten gut aufheben im Gedächtnis, denn wenn Magda kommt, will sie alles wissen. Wenn ich nur erst wieder zurück wäre.

Er ist nicht da, alle haben sich schon eingefunden, aber der Chef ist noch nicht da. Ina und Max nebeneinander auf der Sofabank, Joachim für sich auf dem gepolsterten Hocker, Dorothea im Ohrensessel, zurückgelehnt; gewiß warten sie alle auf den Chef. Auch er wartet, auch Murwitz wartet, der wohl gerade etwas vorgelesen hat aus den Papieren, die vor ihm liegen, neben der Teetasse. Alle haben Teetassen vor sich stehen, von der Gebäckschale hat bestimmt noch keiner genommen; vielleicht sollte ich mich schnell verdrücken und erst wiederkommen, wenn der Chef da ist, er, der immer für mich gesprochen hat, aber Murwitz pliert schon zu mir herüber, Max winkt mir schon zu, ich muß ganz ruhig bleiben und mir noch einmal die Schuhe abtreten, sorgfältig, damit auch Joachim es mitbekommt.
    Da ist ja Bruno, setz dich zu mir, Bruno, möchtest du auch eine Tasse Tee? Ja, gern, sage ich. Wie deine Gesichtshaut spannt, Ina, ich sehe dir an, daß du geweint hast, daß du wenig geschlafen hast, jetzt betastest du schon zum zweiten Mal deine Schläfen, feiner und knochiger können Finger nicht sein, viel zu fein für die beiden zusammengelöteten Ringe. Hier ist auch Gebäck, Bruno, sagt Dorothea mit ihrer alten Freundlichkeit und schiebt mir die Schale zu und lehnt sich gleich wieder zurück. Warum nickt Max mir so zu? Warum plinkert er, zwischen uns ist nichts heimlich abgesprochen, er hat keinen Grund, mich zu beschwichtigen, aber vielleicht ist etwas Auffälliges an mir, ich hab die Tasse noch gar nicht berührt, vielleicht will er, daß ich erst einmal trinke. Das große Ölbild hinter ihm, der Leuchtturm, der mit seinem dürftigen Schein einem nur halb getakelten Segler die Einfahrt zum Hafen zeigt – zweimal ist es schon heruntergefallen, rums, da lag es, ohne daß einer das Bild berührt hätte, und jedesmal waren Gäste dabei.
    Ich muß aufpassen, muß auf der Hut sein, mit einem einzigen Blick hat Dorothea Murwitz aufgefordert, das Wort zu nehmen, und er hat verstanden, er sieht uns nacheinander an, als wollte er uns zählen, er senkt sein Gesicht, gleich wird er reden mit seiner rauchigen Stimme, feststellen, daß immer noch einer fehlt.
    Also, über den betrüblichen Anlaß dieser Zusammenkunft sind sich alle im klaren, sagt er – er sagt nicht, daß der Chef noch abwesend ist und daß wir wohl noch ein Weilchen warten sollten, das sagt er nicht, demnach

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