Lenz, Siegfried
zu streicheln begann, anfangs mit kurzen Bewegungen gegen den Strich, wobei die Haare knisterten und sich aufstellten, und dann langgezogen und glättend vom Kopf zum Schwanz hin. Das tut ihr gut, sagte Ina, sie schnurrt schon wieder, bald hat sie es vergessen. Am nächsten Tag lauerte die Katze schon wieder in der Schattenhalle, doch sobald sie auch nur den Kopf hob oder zum Sprung ansetzte, klingelte ein Glöckchen, das Ina ihr an einem Halsband angehängt hat.
Ach, Ina, als du die Katze an dich drücktest, als Guntram Glaser sie streichelte und ihr euch nur ansaht, ohne ein Wort zu sagen, da begann ich schon etwas zu ahnen, und als ich euch bald darauf an einem Abend im »Deutschen Haus« entdeckte, allein an einem Fenstertisch, da wußte ich, daß Ewaldsen recht bekommen würde mit seiner Voraussage.
Nach Feierabend hatten wir Tannengrün in den Großen Saal des »Deutschen Hauses« geschleppt, hatten das Grün nur abgelegt, weil sie die Girlanden zum Schlußball des Vogelschießens selber flechten wollten, und beim Hinausgehen – ich war der letzte, der ging – linste ich aus dem bereits abgedunkelten Saal in den Speiseraum und sah die einzigen Gäste, sah euch. Die bauchige Tischlampe. Die Weingläser. Seine Hand. Der kleine Lichtkreis. Seine Hand. Du hobst das Gesicht und sahst, daß er dir seine Hand entgegengeschoben hatte. Dein unschlüssiges Lächeln. Und dann hast du deine Hand in die seine gelegt, und ihr habt euch angesehen. Kein Wort. Hecht habt ihr gegessen, gespickten Hecht.
Hier in der Schattenhalle verringerte sich die Blattschädigung, einfach weil die Wirkung der Temperaturunterschiede ein wenig gemildert wurde. Das hat der Chef bald selbst zufrieden festgestellt, und er sagte: Wir hätten sie längst selber hochziehen sollen, die Halle, was meinst du, Bruno? Ja, sagte ich, aber auf die Tarnnetze als Decke wären wir wohl nicht gekommen, wir hätten bestimmt Spalierlatten oder Fichtenreisig genommen. So ist es, sagte der Chef, und er sagte auch: Er hat uns allerhand beigebracht, mein Betriebsleiter, er hat uns bewiesen, daß man nie ausgelernt hat.
Wir saßen auf Holzkisten, und in der Luft war ein Rieseln, man konnte glauben, daß es das Licht war, das rieselte, sacht und viel feiner als Regen; der Chef machte ein Gesicht, als wollte er nicht angesprochen werden, jetzt, wo es so etwas Seltenes zu hören gab. Aber auf einmal seufzte er und wandte sich mir zu, er wischte sich über die Stirn, über die Augen, als wollte er etwas sagen und war sich noch nicht schlüssig, ob er es tun sollte, doch dann hielt er es wohl nicht mehr aus und vertraute mir an, daß demnächst etwas geschehen werde, und ich solle es als erster wissen; also Ina wird heiraten. Ich weiß noch, er zuckte die Achseln, als er das sagte. Ich weiß noch, er öffnete den Mund und verzog ihn ein bißchen. Er wollte nicht wissen, wie ich darüber dachte, in seinem Blick lag keine Frage, eher eine aufkommende Verwunderung darüber, daß ich nicht überrascht war; forsch stand er auf und sagte nur: Es bleibt noch unter uns, dann ging er, ging nach Hollenhusen, ins neue Gemeindehaus, wo er in seinen Dienststunden bei offener Tür arbeitete und wo jeder das Recht hatte, einzutreten, der den Bürgermeister sprechen wollte.
Zuerst hieß es im »Deutschen Haus«, dann in der Festung, und endlich wieder im »Deutschen Haus«, und das vor allem deswegen, weil sie dort den größten Saal in Hollenhusen hatten, und nachdem die Entscheidung gefallen war, saß Ina nur noch vor der Gästeliste und schrieb ihre Einladungskarten, hakte ab und schrieb, wurde und wurde nicht fertig, weil ihr oder Dorothea oder dem Chef immer neue Namen einfielen. Diesen müssen wir … den dürfen wir nicht … wenn schon Jessen, dann auch Plessen. Auf alle Einladungskarten zeichnete Ina Früchte, schön koloriert, sie ließ sie über den Namen hängen, die Früchte glänzten in ihrer Reife, Kirschen, Brombeeren und Mirabellen, aber auch Quitten und Himbeeren, über meinem Namen leuchteten zwei Walnüsse, ich weiß auch nicht, warum. Als ich sie fragte, ob ich ihr die Festgirlande flechten dürfte, da hat sie nichts gesagt, hat mich nur einmal ganz schnell und heftig umarmt, und da wußte ich Bescheid und holte mir mit Erlaubnis des Chefs alles Tannengrün, das ich brauchte, und alle Rosen und Zinnien und blauweißen Bänder, die nötig waren, und im alten Schuppen in der Senke fing ich an.
Daß Guntram Glaser mich dort überraschen würde, damit hatte ich am
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